Mit zusätzlichen Milliarden alleine ist es nicht getan. Der Beruf des Pflegers hat ein Imageproblem – dabei ist er so sinnstiftend wie kaum ein anderer.
Schon der Gedanke hat etwas Beängstigendes. Im hohen Alter von einem fremden Menschen gewaschen, gewickelt und gefüttert zu werden, als einer unter vielen in einem schon etwas in die Jahre gekommenen Heim. Wer noch mitten im Leben steht, verdrängt solche düsteren Bilder gerne – es sei denn, die eigenen Eltern oder Großeltern werden pflegebedürftig. In diesem Moment wird aus einem eher abstrakten Thema wie der Zukunft der Pflege in Deutschland plötzlich ein sehr konkretes.
Reicht das Geld für ein Heim, in dem die Pflege nicht im Minutentakt durchrationalisiert ist? Bekommt meine Mutter die Zuwendung, die sie verdient? Ist Opa auf der Pflegestation nur noch einer unter vielen oder erfährt er auch auf der letzten Etappe seines Lebens noch Nähe und Empathie?
Altenpfleger erhalten wenig Geld und wenig Anerkennung
Solchen sehr emotionalen Fragen versucht Gesundheitsminister Jens Spahn nun mit einer großen Pflegereform und mehreren Milliarden Euro aus dem Steuertopf zu begegnen. Um mehr Menschen für die Pflege zu gewinnen, sollen in Zukunft alle Heime nach Tarif bezahlen, was in der Branche weiß Gott keine Selbstverständlichkeit ist.
Kinderlose sollen noch etwas mehr in die Pflegeversicherung einzahlen als bisher, während auf der anderen Seite der Eigenanteil für die stationäre Pflege gedeckelt werden soll. In der Summe sind das alles vernünftige, in Teilen schon überfällige Maßnahmen. Die entscheidende Frage allerdings beantwortet auch Spahn mit seiner Reform noch nicht: Wird der Beruf des Alten- oder Krankenpflegers durch ein paar hundert Euro mehr im Monat tatsächlich attraktiver?
So sehr sie in der Corona-Krise für ihren Einsatz gefeiert werden: In einem Land, in dem es mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber gibt, sind die Pflegeberufe bei den Schulabgängern nicht die erste Wahl und vermutlich noch nicht einmal die zweite. Zu schlecht ist die Bezahlung, vor allem in der Altenpflege, zu gering die gesellschaftliche Anerkennung und zu groß oft die körperliche Belastung.
Nach einer Studie der Universität Bremen fehlen alleine in Deutschlands Altenheimen im Moment 120.000 Vollzeitkräfte. Eine Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderpflege aber haben im vergangenen Jahr nur 45.000 junge Menschen abgeschlossen – viel zu wenig, um auch nur annähernd den Bedarf zu decken, zumal der Anteil der Krankgeschriebenen und der Teilzeitbeschäftigten in der Pflege überdurchschnittlich hoch ist. Bis zu 500.000 Pflegestellen, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft, könnten daher im Jahr 2035 in Kliniken, Heimen und ambulanten Pflegediensten unbesetzt sein. Eine alarmierende Zahl!
Den Pflegern lastet ein uncooles Image an
Mit dem Anwerben von Pflegern und Pflegehelfern im Ausland wird sich diese Lücke nicht schließen lassen. Die Pflege hat, vor allem bei jungen Menschen, ein Imageproblem, weil sie irgendwie uncool ist und nur allzu häufig auf den Dreiklang Waschen-Wickeln-Füttern reduziert wird. Tatsächlich gibt es wenige Berufe, die so sinnstiftend, so bewegend und herausfordernd zugleich sind.
Alten- und Krankenpfleger helfen Menschen durch die elementarsten Situationen ihres Lebens, sie übernehmen Verantwortung für andere und einen wesentlichen Teil der medizinischen Grundversorgung. Dies stärker herauszustellen und dabei gleichzeitig die ökonomischen Rahmenbedingungen zu verbessern – das ist die eigentliche Aufgabe der Politik und der Arbeitgeber in der Pflege.
Ob Jens Spahn nun vier oder sechs Milliarden Euro in das System pumpt, spielt dabei noch die geringste Rolle. Wenn die Pflege in einer alternden Gesellschaft nicht selbst zum Pflegefall werden soll, muss diese Gesellschaft die Arbeit in der Pflege auch mit der Wertschätzung begegnen, die sie verdient.
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Und er lernts einfach nicht - oder es ist ihm egal: Gerade in einem Beruf in dem der Frauenanteil ungleich höher ist fällt es besonders auf dass der Autor, immerhin Chef vom Dienst, sich konsequent weigert zu gendern: War es zuletzt der "Mehr Geld für *Pfleger*" das, so die These zu Neid führen wird, so is es diesmal "der Beruf des Pflegers" bzw. gleich der Pfleger an sich der ein Imageproblem hat weil er uncool ist. Dabei gibt es doch das wunderbare Wort "Pflegekraft", da muss der Autor sich nicht mal mit Gendersternchen etc. auseinandersetzen.
Und so wie er schon beim letzten Kommentar die finanzielle Entlohnung der Pflegekräfte (bzw. die Tariferhöhung) kritisiert so ist es auch diesmal so dass es zwar einerseits die schlechte Bezahlung moniert, andererseits deren Verbesserung "um ein paar hundert Euro mehr" (als ob) schon wieder anzweifelt.
Nein, er packt das uralte Bild der Kloster-/Kranken-Schwester aus und spricht davon wie "sinnstiftend" und "so bewegend" der Beruf doch ist. Aber genau das ist ein Symptom des Problems warum der Beruf so einen schlechten Stand in der Gesellschaft hat: Weil es ein klassischer "Frauenberuf" ist, d.h. schlechte Bezahlung, mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und entweder "jeder kann es machen" oder "also ich könnte das nicht machen", sprich das Herausstellen von Emotionalität etc. - Es muss - endlich - klar sein: Pflege ist (auch) ein Beruf und keine keine Berufung!
Keiner käme auf die Idee einer angehenden Fahrzeugspenglerin, einem angehenden Bauzeichner oder einer angehenden Fachkraft für Lagerlogistik mit "sinnstiftend" und "so bewegend" der Beruf schmackhaft machen zu wollen.