Die Pflege-Bürokratie überfordert viele Angehörige
Ein Regierungsexperte will das Pflege-System entrümpeln und Gelder schneller auszahlen. Der Experten-Vorschlag stößt in der Politik allerdings auf wenig Resonanz.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, will den Bürokratie-Dschungel in der häuslichen Pflege lichten und Betroffene wie Angehörige deutlich entlasten. Zukünftig könnte es statt zahlreicher Töpfe lediglich zwei Budgets geben. Aus einem Etat soll die Pflege finanziert werden, wenn die Angehörigen eines Pflegebedürftigen einmal abwesend sind.
Ein zweites Budget ist für Leistungen der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste gedacht. Bislang sind in der häuslichen Pflege bis zu 20 verschiedene Anträge nötig, damit Kranke und ihre Angehörigen Geld bekommen. Hinzu kommt, dass die Betroffenen oft gar nicht wissen, welche Leistungen ihnen überhaupt zustehen. Genau das will Westerfellhaus nun ändern.
Hunderttausende pflegende An- und Zugehörige massiv unterstützen
„Wir müssen die Bürokratie entschlacken und individuellere Leistungen ermöglichen, um hunderttausende pflegende An- und Zugehörige massiv zu unterstützen“, betonte Westerfellhaus, der in jungen Jahren selbst in der Pflege gearbeitet hat und seit April 2018 als Pflegebevollmächtigter die Interessen der Pflegebedürftigen im politischen Raum vertritt.
Westerfellhaus macht Druck, denn seiner Einschätzung nach sind viele Menschen mit den Zuständen überfordert und deshalb „kurz davor, aus der Pflege zu Hause auszusteigen“. Nach einer Umfrage der Krankenkasse Barmer würden von den 2,5 Millionen Menschen, die zu Hause Ehemann, Vater oder Mutter pflegen, 185.000 ihren Dienst am Liebsten einstellen.
Vorschlag zur Pflege stößt auf wenig Resonanz
Im Gesundheitsministerium stieß der Vorschlag des Bevollmächtigten allerdings auf wenig Resonanz. Eine Sprecherin bezeichnete ihn als „interessanten Gedankenbeitrag“. Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, wurde deutlicher. „Der Vorschlag kommt zur richtigen Zeit: Schließlich wollen wir in diesem Halbjahr in der Pflegepolitik in die weitere Gesetzgebung gehen“, sagte die CDU-Politikerin unserer Redaktion.
Dabei stehe die Frage im Vordergrund, „wie wir die Pflegeversicherung nachhaltig finanzieren können, ohne die Betroffenen und ihre Angehörigen über die Maßen hinaus zu belasten“, betonte Maag. „Ich nenne nur das Stichwort steigende Eigenanteile im Pflegeheim.“ Im Koalitionsvertrag sei die Bündelung von Leistungen bereits zugesagt, um den bürokratischen Aufwand zu vermindern und Angehörige weiter zu entlasten.
Passende Angebote: Betroffene besser beraten
Westerfellhaus reicht das nicht aus. Ihm schwebt vor, dass die Leistungen der Pflegeversicherung „selbstbestimmt und flexibel genutzt werden können und sich den individuellen Lebensumständen der Menschen anpassen – nicht umgekehrt“.
Ähnlich dem Hebammen-System will er ein System an Co-Piloten für die Pflege aufbauen: Pflegekräfte oder Sozialarbeiter sollen dazu nach Hause kommen, Betroffene beraten und passende Angebote finden. „Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen die ihnen zustehenden Leistungen so einfach wie möglich abrufen können. Dazu gehört auch, dass alle Leistungserbringer ihre Dienste direkt mit der Pflegekasse abrechnen.“
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert außerdem eine Entlastung von Betroffenen und Angehörigen durch die Kostenübernahme für digitale Pflegehelfer. Kassen sollten demnach die Kosten für Produkte wie Ortungs-, Notruf- oder Sturzerkennungssysteme tragen. Gleiches gilt auch für Abschaltsysteme für Elektroherde und andere Haushaltsgeräte oder digitale Hilfen zur Erinnerung an die Nahrungs- und Getränkeaufnahme.
Lesen Sie hierzu auch den Kommentar: Immer Stress mit der Pflege
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