Ex-Verfassungsgerichtspräsident Benda gestorben
Karlsruhe/Berlin (dpa) - Der frühere Verfassungsgerichtspräsident Ernst Benda, einer der profiliertesten Juristen Deutschlands, ist am Montag im Alter von 84 Jahren in Karlsruhe gestorben. Benda stand von 1971 bis 1983 an der Spitze des höchsten deutschen Gerichts.
Der amtierende Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier würdigte ihn als eine "große Richterpersönlichkeit" und einen "vielseitig interessierten und engagierten Verfassungsrechtler". Er habe die Rechtsprechung des Gerichts maßgeblich gestaltet und die verfassungsrechtliche wie politische Entwicklung in Deutschland beeinflusst.
Bundespräsident Horst Köhler lobte Benda als einen der "herausragenden Repräsentanten" Deutschlands. Dies schrieb er in einem Beileidstelegramm an Bendas Ehefrau Waltraud. "Sein gesamtes Wirken - als Parlamentarier, als Bundesminister und als Vorsitzender des Bundesverfassungsgerichtes - war geprägt von seiner offenen und zugleich standhaften Art." Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schrieb an Bendas Frau, ihr Mann habe sich "um unsere Verfassung, um die Demokratie, um unser Land große Verdienste erworben".
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nannte Benda einen herausragenden Verfassungsjuristen und hob vor allem seine Beteiligung am Volkszählungsurteils von 1983 hervor, mit dem das Karlsruher Gericht die Grundlage eines modernen Datenschutzrechts geschaffen habe. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete den Gestorbenen als "wirklich großen Vorsitzenden" des Gerichts: "Benda ist einer der Väter des Datenschutzes in Deutschland."
Vor seiner Richterkarriere verfolgte der gebürtige Berliner - nach einem Studium in Berlin und in den USA - eine Laufbahn als Politiker. Zunächst zog er ins Berliner Abgeordnetenhaus und 1957 für die CDU in den Bundestag ein. Aufsehen erregte er erstmals, als er mit einer beeindruckenden Rede im Parlament gegen die - anfängliche - Mehrheit der eigenen Fraktion durchsetzte, dass die Verjährungsfrist für NS- Verbrechen aufgehoben wurde. 1967 wurde Benda zum Parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium ernannt, 1968 schließlich zum Bundesinnenminister, ein Amt, das er anderthalb Jahre innehatte. In diese Zeit fiel die Verabschiedung der umstrittenen Notstandsgesetze, deren maßgeblicher Wegbereiter Benda war.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) würdigte Benda als großen deutschen Juristen. "Benda hat die Zeit der Spaltung der Stadt und des Landes als junger Mensch miterlebt und sich als Christdemokrat immer pointiert, aber zugleich abgewogen mit dem Geschehen auseinandergesetzt."
Weitere wichtige Urteile in Bendas Zeit als Gerichtspräsident waren das "Numerus-Clausus-Urteil" von 1972 zum Hochschulzugang sowie das Abtreibungsurteil von 1975. Die wohl folgenschwerste Entscheidung unter seinem Vorsitz musste er am 16. Oktober 1977 verkünden: Das Gericht lehnte damals einen Eilantrag ab, mit dem die Familie des entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer die von der RAF geforderte Freilassung von Terroristen erzwingen wollte. Schleyer wurde kurz darauf von einem RAF-Terrorkommando ermordet.
Nach dem Ausscheiden aus dem Gericht lehrte der in Karlsruhe lebende Jurist an der Universität Freiburg. Bis zuletzt war er in der Öffentlichkeit präsent: Noch Mitte Dezember, zum 25. Jahrestag des Volkszählungs-Urteils, machte er sich für den Datenschutz stark: Die Nutzung von Daten durch Unternehmen sei "bedrohlicher als alles, was vom Staat ausgeht". Er hinterlässt seine Frau Waltraud und zwei erwachsene Kinder.
Die Diskussion ist geschlossen.