Ein Abschied ohne Groll
Gerade noch rechtzeitig macht die tief gefallene FDP ihren Frieden mit Guido Westerwelle.
Guido Westerwelle redet nicht um den heißen Brei herum. Ja, räumt er ein, es falle ihm schwer, dieses Amt abzugeben. Und natürlich habe er in den vergangenen zehn Jahren auch Fehler gemacht. Nun aber, da diese Zeit eher unfreiwillig zu Ende geht, muss er noch etwas loswerden. Es heiße immer so schön, die Partei stehe hinter ihrem Vorsitzenden, sagt Westerwelle am Ende seiner letzten Rede als FDP-Chef. „Aber manchmal muss sie auch vor einem stehen.“
Rostock, Hanse-Messe. Mit einem Lächeln auf den Lippen tritt der 49-Jährige vor den 62. Ordentlichen Bundesparteitag der Liberalen. Es ist ja nicht so, dass es Deutschland schlecht geht: Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen fallen, die Löhne steigen. Eine Koalition wie die rot-grüne von Gerhard Schröder und Joschka Fischer, sagt Westerwelle sentimental, hätte in einer solchen Situation „in Champagner gebadet“. Er aber muss schon froh sein, dass er wenigstens Außenminister bleiben darf, so tief sitzt die Angst vor weiteren Debakeln wie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in der Partei. Die FDP, von der Guido Westerwelle behauptet, sie sei mit den Jahren auch „ein Stück von mir“ geworden, verzeiht vieles, nur keine Niederlagen. Deshalb geht er. Aber er geht nicht gerne.
Die große Abrechnung allerdings bleibt aus in Rostock. Der Versuch, ihn auch noch aus dem Außenamt zu schubsen? Wird gar nicht mehr gewagt. Die zweistündige Aussprache, von der es hieß, sie drohe zu einem Scherbengericht über den scheidenden Vorsitzenden zu werden? Eine langatmige Lobeshymne. „Er ist ja nicht alleine die FDP gewesen“, mahnt der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Jürgen Koppelin. Viele hier im Saal, sekundiert Philipp Rösler, der später mit 95 Prozent der Stimmen zum 13. Bundesvorsitzenden der FDP seit Theodor Heuss gewählt wird, verdankten ihre Ämter und Mandate vor allem einem: Westerwelle. Ein Jahrzehnt lang habe der die Partei von Erfolg zu Erfolg geführt, und deshalb ist die bronzene Europa mit dem Stier, die er ihm überreicht, nur ein symbolisches Präsent. „Das eigentliche Geschenk, das wir dir schulden“, sagt Rösler etwas schwulstig und schaut kurz zur Seite, wo Westerwelle sitzt, „ist der Respekt vor deinen Leistungen und deiner Person.“
Nur zwischen den Zeilen schimmern gelegentlich die Hintergründe des von Rösler selbst und zwei, drei Vertrauten erzwungenen Führungswechsels durch. Vor der Bundestagswahl im Herbst 2009 habe die Partei bei den Menschen hohe Erwartungen geweckt, aber anschließend nicht geliefert, sagt der neue Fraktionschef Rainer Brüderle. Dass dieser Wahlkampf ganz auf den Spitzenkandidaten Westerwelle zugeschnitten war, auf seine Person, seine Steuerpläne und seine kühle Reformrhetorik, sagt er nicht. Nur so viel vielleicht noch: „Wir haben nicht nur eine Wahl verloren, sondern Glaubwürdigkeit.“ Und die, das spürt die Partei, wird sie sich mit Westerwelle an der Spitze nicht mehr zurück erarbeiten können.
Der wiederum ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, was die tief gefallene FDP jetzt hören will. Eine Portion Selbstkritik, ein kleiner, fast schon nostalgischer Rückblick auf die gemeinsamen Erfolge der vergangenen Jahre – und dazu ein Schuss Optimismus. „Ich habe keinen Zweifel, dass wir das Blatt wenden werden“, beteuert er. Am Ende feiert ihn die Partei mit minutenlangem, stehendem Applaus. „Wenn jetzt noch jemand gegen ihn Stimmung machen will“, ahnt der Allgäuer Abgeordnete Stephan Thomae, „wird er es schwer haben.“
Die FDP, so scheint es, hat gerade noch rechtzeitig ihren Frieden mit Guido Westerwelle gemacht. Selbst der Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki, bekannt als liberales Lästermaul, klingt plötzlich wie weichgespült: Das Problem der Partei, findet er, sei nicht so sehr ihr bisheriger Vorsitzender, sondern vielmehr ihre mangelnde Durchsetzungsfähigkeit in der Koalition.
Die aber ist, ab sofort, das Problem von Philipp Rösler. Westerwelle hat versprochen, seinem Nachfolger nicht ins Lenkrad zu greifen – und verabschiedet sich mit einem Satz, den er kurz nach seiner Wahl im Mai 2001 gesagt hat, um seinen Rivalen Jürgen Möllemann auf Distanz zu halten: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt.“ Und das, sagt Guido Westerwelle lächelnd, „bin ich jetzt nicht mehr.“
Die Diskussion ist geschlossen.