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Guido Westerwelle geht – und wird für eine „beeindruckende Leistungsbilanz“ gelobt. Heute will die Partei seinen Nachfolger küren. Er heißt, vermutlich, Philipp Rösler
Berlin Unter anderen Umständen säße Guido Westerwelle fest im Sattel. In den zehn Jahren, die er die FDP geführt hat, hatten die Liberalen 41 Wahlen zu bestehen – und in 33 dieser Wahlen haben sie Stimmen dazugewonnen. „Eine beeindruckende politische Leistungsbilanz“ sei das, sagt Generalsekretär Christian Lindner. Eine, die ihresgleichen suche in der Parteienlandschaft.
Ein wenig blass um die Nase steht Lindner im Foyer des Thomas-Dehler-Hauses und versucht, zu erklären, warum die FDP auch nach einer einwöchigen Findungsphase noch keinen Nachfolger für den scheidenden Vorsitzenden präsentieren kann. Dass Gesundheitsminister Philipp Rösler beste Chancen hat, Westerwelle zu beerben, verbreitet der Flurfunk der Freidemokraten zwar schon seit Freitag. Namen nennen allerdings will die Partei erst heute. Offenbar ist noch immer nicht klar, wer dem künftigen Vorsitzenden als Stellvertreter assistieren beziehungsweise die Bundestagsfraktion führen soll. Der Stuhl der amtierenden Vorsitzenden Birgit Homburger ist durch ihre Ankündigung, als Landeschefin in Baden-Württemberg zurückzutreten, um dann erneut zu kandidieren, jedenfalls nicht sicherer geworden.
In der Sitzung des Präsidiums an diesem Montag, beteuert Lindner, sei noch nicht über Kandidaturen gesprochen worden. Vielmehr habe man Westerwelle noch einmal für die Arbeit der vergangenen 17 Jahre gedankt, in denen er die FDP als Generalsekretär und Parteichef von einer Honoratiorenpartei zum Anwalt der politischen Mitte gemacht habe. Dass er den Vizekanzler zwar abgeben, aber Außenminister bleiben wolle, hätten alle Anwesenden begrüßt. Seine Vorgänger Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier seien schließlich auch Minister gewesen, ohne gleichzeitig eine Partei zu führen. Selbst Hans-Dietrich Genscher war in 18 Jahren als Außenminister nur elf Jahre in Personalunion auch noch Parteichef.
Der Favorit ist per Telefon zugeschaltet
Als Lindner am Sonntagnachmittag zu Westerwelles Wohnung in der Mommsenstraße unweit des Kurfürstendammes fährt, gibt es nicht mehr viel zu besprechen. Der Vizekanzler, der am frühen Morgen aus Japan zurückgekehrt ist und danach mit Parteivize Rainer Brüderle und einigen anderen Spitzenliberalen telefoniert, hat sich schon entschieden, den FDP-Vorsitz abzugeben. Daniel Bahr, der neue Chef des nordrhein-westfälischen Landesverbandes, sitzt noch mit am Tisch, später wird auch Rösler per Telefon aus Hannover zugeschaltet. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie: Wie kann Westerwelle seine Entscheidung als den „souveränen Schritt“ verkaufen, von dem Lindner tags darauf sprechen wird? Um 16.19 Uhr verschickt Parteisprecher Wulf Oehme dann eine Mail an Berliner Journalisten. In der Betreffzeile steht nur: „Eilige Terminankündigung.“
Wie sich die FDP nun neu sortiert, ob Rösler womöglich ein wichtigeres Ressort bekommt als das unpopuläre Gesundheitsministerium, ob die Kanzlerin gar ihr Kabinett umbildet: Das alles, sagt Lindner, sei nur Spekulation. Wirtschaftsminister Brüderle, auf dessen Amt Rösler angeblich schielt, jedenfalls weicht nicht freiwillig. Punktgenau zur Präsidiumssitzung hat er im Handelsblatt ein Plädoyer für mehr Wettbewerb in der Bildung, für weitere Reformen im Gesundheitssystem und in der Pflege und eine geordnete Zuwanderungspolitik veröffentlicht. Es ist der Versuch, die personelle Debatte um eine inhaltliche Note zu ergänzen – und, ganz nebenbei, das eigene Amt zu retten. Dass der junge Staatssekretär Bahr seinen Minister Rösler unbedingt ins Wirtschaftsressort wegloben will, heißt es in FDP-Kreisen, habe nichts mit der Reputation des künftigen Parteichefs zu tun, sondern nur mit schnöden egoistischen Motiven: Bahr wolle selbst Gesundheitsminister werden und versuche nun „wie die Lady MacBeth der FDP“ Rösler loszuwerden.
Auch Guido Westerwelle selbst kann sich seiner Sache noch nicht ganz sicher sein. Was seine Zukunft als Außenminister angehe, ahnt der Berliner Bundestagsabgeordnete Martin Lindner, sei „das letzte Wort noch nicht gesprochen“. Ein glaubwürdiger Neuanfang, sekundiert der frühere Innenminister Gerhart Baum, „ist für die FDP nur ohne Westerwelle zu machen.“ Dass es zum kompletten Bruch mit dem bisherigen Parteichef kommt, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Sowohl im Bundesvorstand als auch in der Bundestagsfraktion sind die potenziellen Putschisten bisher in der Minderheit.
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