Grüne haben die Wahl: Carsten oder Carsten
Sieling (SPD) oder Meyer-Heder (CDU) – wen machen sie zu Bremens nächstem Bürgermeister? 74 Jahre SPD-Vorherrschaft an der Weser könnten zu Ende gehen, weil erstmals die CDU stärkste Kraft im Rathaus ist
Wer am Sonntagabend die Bremer SPD-Wahlparty in der Gaststätte „Ständige Vertretung“ besuchte, erwartete vielleicht, dass die Genossinnen und Genossen dort mit Stöhnen oder gar Tränen auf die 18-Uhr-Prognose zur Bürgerschaftswahl reagieren würden. Aber nichts dergleichen. Als der rote Balken der mit den Grünen regierenden SPD bei 24,5 Prozent stehen blieb, während der schwarze der CDU-Opposition bis 25,5 Prozent reichte, da verstummte noch nicht mal das kneipenübliche Gemurmel an der Theke. Offenbar kann die gebeutelte Partei nichts mehr erschüttern. Und sie war ja auch schon durch einige Wählerumfragen vorgewarnt.
Umso größer der Jubel bei der CDU, als ihr Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, 58, mit Musikbegleitung die „Markthalle Acht“ betrat – in Sichtweite des historischen Rathauses, in dem er demnächst anstelle des SPD-Amtsinhabers Carsten Sieling, 60, ins Bürgermeisterzimmer einziehen möchte. „Wir haben jetzt einen Regierungsauftrag“, sagte der politisch völlig unerfahrene Seiteneinsteiger noch mehrmals im Laufe dieses historischen Abends – historisch deshalb, weil die Union erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs die SPD überflügeln konnte.
Aber die Parlamentswahl zu gewinnen, heißt nicht unbedingt, die Regierung zu übernehmen. Denn dafür sind Koalitionspartner nötig. Die in der Wählergunst geschrumpften Sozialdemokraten, seit zwölf Jahren in einem Bündnis mit den Grünen regierend, hatten sich kurz vor der Wahl eindeutig auf Rot-Grün-Rot festgelegt, mit den Linken als Mehrheitsbeschaffern. Dementsprechend brandete auf der SPD-Wahlparty zum ersten Mal etwas Beifall auf, als sich bei der Prognose bestätigte, dass ein solches Dreierbündnis eine größere Mehrheit hätte als die schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition, die sich die Christdemokraten wünschen.
Entscheidend ist also, welchen Carsten die Grünen zum Bürgermeister machen wollen. Vor dem Urnengang ließen sie alles offen, und das taten sie auch am Wahlabend. Ihre Spitzenkandidatin Maike Schaefer sagte nur, dass sie diejenige Koalition anstrebt, „wo wir am meisten Grün wiederfinden“. Schaefer, anerkannte Umweltexpertin, machte aber auch deutlich: Es wird mit beiden Konstellationen nicht einfach. Von der FDP seien die Grünen in der Verkehrs- und Klimapolitik weit entfernt, von den Linken beim Thema Schuldenbremse. Denn die Öko-Partei will unbedingt Schulden tilgen, während die Linken lieber in marode Schulen investieren möchten.
Linken-Spitzenkandidatin Kristina Vogt, 53, ist grundsätzlich bereit für das Dreierbündnis, das der Linkspartei erstmals in Westdeutschland eine Regierungsbeteiligung ermöglichen würde. Sie schränkte allerdings ein: „Wir stehen für einen Politikwechsel bereit, aber nicht für ein Weiter-so.“
Bei der SPD-Wahlparty brandete noch einmal Beifall auf, als Bürgermeister Sieling die Kneipe betrat. Es war ein anerkennender, trotzig-tröstender Beifall. Die Prognosezahlen seien „durchaus enttäuschend“, räumte der Bürgermeister ein. Aber er fügte auch hinzu: „Wir gucken in die Zukunft und wollen gestalten.“ Er scheint also noch auf den Machterhalt zu hoffen.
Wenn zwei Große sich streiten, freut sich nicht immer der dritte. Die FDP schaffte es laut Prognose so gerade über die Fünf-Prozent-Hürde. Ihre jungdynamische Spitzenkandidatin Lencke Steiner, 33 – vielen besser bekannt als Investorin aus der Vox-Show „König der Löwen“ –, ist voll auf Jamaika-Kurs: „Ich würde mich freuen, wenn’s wirklich klappt.“
Am rechten Rand machten sich zwei Parteien Konkurrenz: zum einen die AfD mit ihrem weit rechts stehenden Spitzenkandidaten Frank Magnitz. Den kennt man auch außerhalb Bremens, seitdem er auf offener Straße überfallen wurde. Die AfD riss im liberalen Bremen mit diesmal laut Prognose rund sieben Prozent auch keine Bäume aus. Daneben kandidierten die etwas gemäßigteren „Bürger in Wut“ (BIW). Die Fünf-Prozent-Hürde haben sie im ganzen Land nicht übersprungen. Aber sie könnten vom Bremer Wahlrecht profitieren: Für den Sprung ins Parlament muss man nur die Hürde in Bremen oder Bremerhaven nehmen. Den BIW ist das seit 2007 stets in der Arbeitslosenhochburg Bremerhaven gelungen.
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