Rechtsextremisten besser im Blick
Bund und Länder wollen keine Straftäter mehr als V-Leute anwerben. Als Konsequenz aus den NSU-Morden soll zudem eine zentrale Datei eingerichtet werden
Der Mann hatte ein eindrucksvolles Vorstrafenregister und war der Polizei als gewalttätiger Neonazi einschlägig bekannt. Auf sein Konto gingen zahllose Raubüberfälle, Körperverletzungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Drogendelikte. Dennoch hatten die Verfassungsschützer keine Skrupel, ihn als V-Mann anzuwerben und ihn jahrelang zu bezahlen. Denn er hatte etwas zu bieten: Er war ein führender Kopf der rechtsextremistischen Szene im Land, bestens vernetzt, allseits akzeptiert.
Ein einfacher Deal: Geld gegen Informationen
Der Deal war einfach: Geld gegen Informationen. Und Schutz. Mit seiner Hilfe wollten die Verfassungsschützer die Szene überwachen und Einblick in die Strukturen erhalten. Im Gegenzug hielten die Sicherheitsbehörden ihre Hand schützend über ihren Informanten und sorgten dafür, dass er nicht aufflog. Dass ihn allerdings auch das Verfassungsschutzamt eines anderen Bundeslandes als V-Mann angeworben hatte und ebenfalls bezahlte, war keinem bekannt.
Neue Regeln beim Einsatz von V-Leuten
Szenen wie diese soll es nach dem Willen der Innenminister des Bundes und der Länder nicht mehr geben. Auf ihrer gemeinsamen Konferenz in Hannover, die am Mittwoch begann und noch bis Freitag dauert, wollen die für die innere Sicherheit zuständigen Ressortchefs als Konsequenz aus der Mordserie der Zwickauer Neonazi-Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) neue Regeln beim Einsatz von V-Leuten verabschieden. Im Zentrum stehen neue Qualitätsstandards bei der Anwerbung von Informanten, die nach den vorgelegten Plänen auf eine deutliche Verschärfung der Kriterien hinauslaufen.
„Was nicht sein kann, ist, dass wir Berufskriminelle als V-Leute einsetzen, die womöglich auch noch selber im großen Stil Straftaten begehen oder quasi ihren Lebensunterhalt von der V-Leute-Tätigkeit bestreiten“, sagte der Sozialdemokrat Boris Pistorius, Innenminister von Niedersachsen und derzeitiger Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Deshalb sollen „kriminell erheblich vorbelastete Extremisten“ nicht mehr als Informanten angeworben werden.
Weitere Konsequenzen aus der NSU-Mordserie
Weitere Konsequenz aus der NSU-Mordserie: Über das Anwerben von Quellen sollen künftig nicht mehr die Mitarbeiter, sondern die Spitzen der Sicherheitsbehörden entscheiden. Zudem soll es eine Rotation bei der Führung von V-Leuten geben, um eine zu große Nähe und Vertrautheit zu verhindern. Kritiker hatten in der Vergangenheit immer wieder bemängelt, dass langjährige V-Mann-Führer die Distanz zu ihren Informanten aus dem extremistischen Lager verlieren. „Wir brauchen klare, rechtsstaatlich verbindliche Vorgaben für die Gewinnung und das Führen von Verbindungsleuten, damit das aus der Grauzone von Dienstvorschriften wegkommt und im Gesetz verankert wird“, forderte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD).
Zugriffsmöglichkeit für alle Sicherheitsbehörden
Einig sind sich die Minister darin, dass die 17 Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder eine zentrale V-Leute-Datei einrichten. Offen ist aber noch die Frage, ob die Informanten mit Klarnamen oder nur mit ihrem Decknamen geführt werden. In der Vergangenheit hatten sich die einzelnen Landesämter für Verfassungsschutz geweigert, dem Bundesamt oder der Polizei Informationen über ihre V-Leute zur Verfügung zu stellen.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bemängelte die nicht immer trennscharfen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern beim Umgang mit V-Leuten. Bisher sei der Austausch über Informanten aus dem rechtsextremen Lager nicht ausreichend. „Diese Befehlsketten existieren eben nicht.“ Im Gegenzug warf der niedersächsische Innenminister Pistorius (SPD) dem Bund vor, bei der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes hinterherzuhinken. Die Länder seien in dieser Frage „weiter“.
Die Diskussion ist geschlossen.