Was Killerspiele im Gehirn auslösen
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat erneut ein Verbot von Killerspielen gefordert. Und bezieht sich dabei auf den Ulmer Gehirnforscher Manfred Spitzer. Der Mediziner erklärt im Interview mit Niko Steeb, was Killerspiele im Gehirn auslösen.
Gut ein Jahr nach seinem Vergleich von Killerspielen mit Kinderpornografie und Drogensucht hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann diesen erneuert.
Auf der Seite abgeordnetenwatch.de - dort können Bürger Abgeordnete des Bundestages oder des Europäischen Parlaments befragen - schrieb er aber, dass er mit diesem Vergleich vor allem aufrütteln habe wollen. Gleichzeitig forderte er ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot von Gewaltspielen. Dabei beruft er sich unter anderem auf den Ulmer Gehirnforscher Professor Dr. Manfred Spitzer.
Wir haben bei ihm nachgefragt, was mediale Gewalt in unseren Gehirnen auslöst.
Herr Spitzer, was hat die Gehirnforschung mit Computerspielen zu tun?
Spitzer: Ich beschäftige mich mit Lernen. Wenn man begriffen hat, wie wir lernen, versteht man auch, was Gewalt in Videospielen und im Fernsehen in uns auslöst.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Spitzer: Wenn Elefanten durch den Busch rennen, entsteht ein Trampelpfad. Das ist wie im Gehirn. Pfade, die begangen wurden, sind ausgetreten. Alle Erfahrungen werden gespeichert, wir merken uns das Allgemeine dahinter.
Was konkret hat das mit medialer Gewalt zu tun?
Spitzer: Stellen Sie sich einen 18-Jährigen vor, dem in seinem Leben 200 000 Gewalttaten durch den Kopf gerauscht sind, da entstehen Trampelpfade im Gehirn. Eine Studie zeigt, dass nur vier Prozent aller Konflikte im Fernsehen friedlich gelöst werden. Bei 50 Prozent tut die Gewalt nicht weh, in 70 Prozent der Fälle kommen die Täter davon.
Was ist das Allgemeine daran, das wir uns merken?
Spitzer: Unser Hirn sagt: Es gibt viel Gewalt, selten eine Alternative, sie tut nicht weh und man kommt davon. Das kann nicht an uns vorbeigehen. Es ist nicht egal, was wir mit dem Gehirn machen. In der Folge führt mediale Gewalt zu mehr realer.
Ist das belegbar?
Spitzer: Ja, eine Studie aus den USA über 700 Familien zeigt, dass Fernsehschauen die Gewaltbereitschaft erhöht. Eine andere zeigt, dass Menschen nach dem Konsum von Killerspielen fünfmal länger brauchen, anderen zu helfen als die Vergleichsgruppe ohne Videospiele.
Heute schießen Kinder am PC aufeinander, früher mit Knallpistolen.
Spitzer: Früher wusste man, dass das nicht echt ist ...
... ist das heute nicht so?
Spitzer: Damals rannte man herum, das Spiel war erschöpfend. Heute sitzen die Spieler acht Stunden vor den Schirmen, sie tauchen in die Welten ein, und das für die längste Zeit am Tag.
Senken Gewaltspiele die Hemmungen?
Spitzer: Davon kann man ausgehen, wenn man bedenkt, dass die ersten Programme dazu vom US-Militär entwickelt wurden, um die Hemmung der Soldaten, auf Körper zu schießen, zu senken. Den Soldaten musste beigebracht werden, reflexartig draufzuhalten.
Was ist eigentlich das Faszinierende an Gewalt und Sex für männliche Jugendliche?
Spitzer: Stellen Sie sich einen 14-Jährigen vor, der vor 10 000 Jahren einem Paar beim Geschlechtsakt zugesehen hat und der dann sagt: Das interessiert mich nicht. Wer sich so verhält, pflanzt sich langfristig nicht fort. Früher dachte man, Männer führen um Nahrung Krieg. Die heutige Forschung sagt, dass sich Männer um Frauen streiten. Weil man im Jugendalter noch nicht einsichtig genug ist, braucht es Verbote, denn in diesem Alter hinterlässt Gewalt dicke Spuren im Gehirn.
Wie wirkt sich dies auf die Gesellschaft aus?
Spitzer: Die Schulgewalt in Baden-Württemberg ist in den letzten sieben Jahren beispielsweise um 40 Prozent gestiegen. Die gesamte Entwicklung ist extrem beunruhigend. Was wollen wir mit Menschen, die sich nur für Pornos, Geballere und Alkohol interessieren? Die Kultur ist die Software, die wir auf die Hardware Gehirn aufspielen. Wenn wir das dem Markt überlassen, kann es nicht gut gehen. Wenn erst die Gehirne einer ganzen Generation vermüllt sind, dann war es das! Wir haben in Deutschland als Rohstoff nur die Hirne der nächsten Generation.
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