Jacques Chirac ist tot: Er war der Großvater der Nation
Jacques Chirac ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Trotz aller Affären war er einer der beliebtesten Präsidenten Frankreichs.
Keinem anderen französischen Politiker gelang die Balance zwischen schenkelklopfender Volksnähe und staatsmännischer Würde besser als ihm. Zwar erfuhr auch Jacques Chirac im Amt des Präsidenten zeitweise heftige Ablehnung. Doch in den letzten Jahren festigte sich sein Ruf als „Großvater der Nation“, von dessen gesundheitlichen Problemen man wusste. Am Donnerstag bestätigte Chiracs Familie, dass er im Alter von 86 Jahren gestorben ist.
Jacques Chirac ist tot: Franzosen haben ein verklärtes Andenken
Als er bei den Präsidentschaftswahlen 2007 nicht mehr antrat, überwog noch die Erleichterung über den Abtritt des Mannes, dem politischer Stillstand und Mangel an Reformmut vorgeworfen wurden. Sein Nachfolger Nicolas Sarkozy punktete mit dem Versprechen eines „Bruchs“ mit dem alten, verkrusteten System. Chirac war zwar ein geschickter Strippenzieher und herzlicher Bonvivant mit viel Humor und wenig Berührungsängsten. Aber eine echte Vision fehlte ihm.
Heute bewahren die Franzosen überwiegend ein verklärtes Andenken an den Mann, der für seinen riesigen Appetit bekannt war – auf sein Lieblingsgericht Kalbskopf, auf Bier und auch auf die Frauen. Der milden Bewertung des Altpräsidenten tat auch der Prozess 2011 gegen ihn keinen Abbruch.
Dabei wurde er zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Vertrauensbruchs, illegaler Vorteilnahme und Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt. Das Gericht sah ihn „im Herzen des Systems“, durch das in seiner Zeit als Bürgermeister von Paris fiktive Posten geschaffen sowie Mitarbeiter von der Stadt bezahlt wurden, die für Chiracs konservative Partei arbeiteten.
Weil er gesundheitlich angeschlagen war, blieb ihm die Schmach erspart, auf der Anklagebank erscheinen zu müssen. Seit seinem Gehirnschlag 2005 hatten sich seine Hör- und Gedächtnisprobleme zunehmend verstärkt. In der Öffentlichkeit sah man ihn immer seltener.
Der Tod seiner Tochter Laurence 2016 mit nur 58 Jahren traf ihn schwer; seit ihrer Jugend litt sie an Magersucht, hatte mehrmals versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie war vielleicht die empfindliche Stelle im sonst so glänzenden Leben Jacques Chiracs. Seine zweite Tochter Claude fungierte als Sprecherin und Beraterin, während auch Ehefrau Bernadette Chirac Einfluss bewahrte, trotz mancher Meinungsverschiedenheiten. Während sie im Wahlkampf 2012 Sarkozy unterstützte, verhehlte Chirac seine Abscheu gegen seinen Nachfolger kaum und sprach sich für die Wahl des Sozialisten François Hollande aus.
Jacques Chirac: Was bleibt von den beiden Amtszeiten?
Chirac wurde in Paris geboren. Beim Studium an einer Elitehochschule lernte er seine spätere Ehefrau kennen. Die Verbindung mit der aus einem bourgeoisen Milieu stammenden Bernadette Chodron de Courcel öffnete ihm den Weg in höhere Kreise. Engagierte sich Chirac als Student kurzzeitig für die Kommunisten, so begann er seine politische Karriere bei den Konservativen, wurde 1967 Abgeordneter. Zehn Jahre später war er Bürgermeister von Paris und blieb es 18 Jahre lang.
Zweimal verlor er in Präsidentschaftswahlen gegen François Mitterrand, als dessen Premierminister er 1986 fungierte. Erst 1995 gelang ihm doch noch der Einzug in den Elysée-Palast. Sein Versuch, Sozial- und Rentenreformen durchzusetzen, scheiterte an Massenprotesten. Scharf kritisiert wurde er für Atombomben-Tests im Südpazifik. 2005 ließ er die Franzosen über den Entwurf für eine Europäische Verfassung abstimmen. Sie sprachen sich dagegen aus – eine peinliche Niederlage.
Was für viele von den beiden Amtszeiten Chiracs bleibt, ist zum einen das „Non“ zu einer Beteiligung am Irak-Krieg. Zum anderen brach er ein Tabu, indem er 1995 als erster Präsident die Mitverantwortung seines Landes bei der Juden-Verfolgung der Nazis eingestand. In Deutschland blieben auch seine formvollendeten Handküsse für Angela Merkel im Gedächtnis.
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