Die neue Regierung braucht neue Beamte
In den vergangenen zehn Jahren hat der Bund exakt 46.313 Stellen in der öffentlichen Verwaltung eingespart. Die neue Regierung kehrt nun diesen Trend zum Teil um. Von Rudi Wais
Auf den ersten Blick ist alles in bester Ordnung. In den vergangenen zehn Jahren hat der Bund exakt 46.313 Stellen in der öffentlichen Verwaltung eingespart. Oder, anders gerechnet: Jeder siebte Arbeitsplatz in Ministerien, ihnen unterstellten Behörden, in Finanzämtern oder beim Zoll ist weggefallen. Der Staat, suggerieren diese Zahlen, spart - nicht zuletzt beim Personal.
In einigen Ministerien allerdings sieht es eher nach dem Gegenteil aus. Umweltminister Röttgen hat zwei neue Leitungsstäbe eingerichtet, Sozialministerin Ursula von der Leyen eine neue Unterabteilung für Arbeitsrecht und Verkehrsminister Peter Ramsauer neun neue Referate.
Agrarministerin Ilse Aigner liebäugelt mit einer eigenen Unterabteilung für Agrarexporte, ihr Parteifreund Ramsauer braucht noch 30 Mitarbeiter in der neuen Beschwerdestelle für Fahrgäste beim Eisenbahnbundesamt und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel eine Stabsstelle für die Reform der Entwicklungsorganisationen. Insgesamt sollen in dem Ressort, das die FDP vor der Wahl noch abschaffen wollte, gleich 20 neue Stellen entstehen.
"Konsolidierung und Bürokratieabbau", tobt der grüne Haushaltsexperte Alexander Bonde, "finden bei der schwarz-gelben Regierung nur in Sonntagsreden statt." Er sei "schockiert", sekundiert Bondes SPD-Kollege Carsten Schneider.
Tatsächlich sind die Dinge etwas komplizierter. Zu den 985 zusätzlichen Stellen, die die Regierung in den Haushaltsberatungen angemeldet hat, gehören auch 200 neue Kontrolleure für den Kampf gegen die Schwarzarbeit, 188 neue Arbeitsplätze im heillos überlasteten Patentamt in München und 61 Stellen beim Bundesamt für Güterverkehr, das die Lkw-Maut eintreibt.
Damit würden vor allem Bereiche der Verwaltung verstärkt, "die zur Verbesserung der Einnahmesituation des Bundes führen", betont das Finanzministerium. So "erwirtschafteten" die 6500 Kontrolleure, die bundesweit nach Schwarzarbeitern, illegal Beschäftigten und ihren Auftraggebern fahnden, dem Fiskus und den Sozialkassen im vergangenen Jahr über 500 Millionen Euro.
Unterm Strich soll sich der Personalstand des Bundes allerdings auch im laufenden Jahr leicht reduzieren: Da bei der Bundeswehr im größeren Stil zivile Arbeitsplätze eingespart werden, sinkt die Zahl der Planstellen im Einflussbereich des Bundes insgesamt um knapp 600. Verglichen mit den bisherigen Kraftakten ist das allerdings nicht allzu viel. Mit einem Abbau von durchschnittlich 4600 Stellen pro Jahr hat der Bund seinen Personalbestand inzwischen unter den Stand bei der Wiedervereinigung gedrückt - auf knapp 260.000 Beamte und Angestellte.
Damit sei die Verwaltung nun allerdings "an eine Grenze gekommen", betont Michael Offer, der Sprecher des Finanzministeriums. Gleichzeitig müsse sie neue Aufgaben stemmen - etwa beim Bundeszentralamt für Steuern, das sich darum kümmern muss, dass die Mindestlöhne in einigen Branchen auch eingehalten werden. FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke dagegen ist sich sicher: Bei den Stellenplänen der Ministerien "ist das letzte Wort noch nicht gesprochen".
Ob tatsächlich alle beantragten Stellen geschaffen werden, ist auch aus anderen Gründen noch ungewiss. Zusätzliche Kosten durch Tariferhöhungen müssen im Haushalt kompensiert werden. Das heißt: Je mehr die alten Beamten verdienen, umso weniger neue Beamte gibt es. Von Rudi Wais
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