Merkel, Li und der unsichtbare Dritte
Warum der China-Besuch der Kanzlerin überraschend harmonisch verläuft
Die beiden Regierungschefs agieren vorsichtig. Sowohl Angela Merkel als auch Li Keqiang versuchen, den anderen nicht zu verärgern. So gibt sich Li Mühe, auch auf kritische Fragen der deutschen Presse zu antworten. Merkel wiederum verkneift es sich völlig, Li in Streitpunkten anzugreifen. Der Besuch klingt anders als die vorigen Visiten deutscher Spitzenpolitiker in Peking, bei denen es durchaus Zoff gab. Der Grund für den Eiertanz liegt nicht in Peking, wo die Kanzlerin ihren chinesischen Kollegen Li besucht, sondern elf Zeitzonen weiter in Washington.
Die jüngste Offensive von Donald Trump hat die deutsch-chinesischen Beziehungen so interessant gemacht wie seit langem nicht mehr. Merkel und Li umwerben einander als Partner gegen die USA. Das führt zu einem völlig neuen Gemisch aus Konzessionen und Forderungen. Da gibt es einerseits die Gemeinsamkeiten, auf die beide Politiker in ihrer Pressekonferenz umfangreich eingehen.
Sowohl Deutschland als auch China, zwei Spitzenreiter im globalen Export, betonen die Wichtigkeit freien Handels. „Chinas Tür steht offen“, sagt Li. Beide gemeinsam kündigen ein Austauschprogramm für Praktikanten an. Außerdem soll es gemeinsame Standards für das selbstfahrende Auto geben – eine wichtige Aussage, wenn sie von der Herstellernation Deutschland und dem größten Markt China kommt.
Außerdem sind sich beide Länder im Umgang mit dem Iran einig: Das Abkommen von 2015 über Handelsbeziehungen im Austausch für atomare Abrüstung gilt weiterhin – auch wenn Trump im Alleingang aussteigt. Beide Regierungschefs sorgen sich jedoch darum, dass die USA ihre Firmen, die am Iran-Geschäft teilnehmen, strafen könnten. Hier versprachen sich Merkel und Li, zusammenzustehen – auch wenn sie in der Praxis wenig gegen die US-Politik ausrichten können.
Doch es gibt auch weiterhin zahlreiche Konfliktpunkte zwischen den Ländern – und hier steht Deutschland tendenziell auf der Seite der USA. Etwa das Thema Marktöffnung. Es besteht aus zwei Teilen: einerseits den Eintrittshemmnissen in China, wie öffentlichen Ausschreibungen, die auf örtliche Firmen zugeschnitten sind. Und zweitens die ungleiche Investitionslandschaft. Während China den Kauf eigener Hightech-Firmen effektiv verhindert und ihnen Konkurrenz vom Leib hält, können chinesische Wettbewerber in Deutschland fast ungehindert zuschlagen. Das sind auch Kritikpunkte, die Trump sehr pointiert vorbringt.
Tatsächlich profitiert die deutsche Wirtschaft von Trumps harten und unberechenbaren Verhandlungstaktiken. Im April hat Peking den Zwang zum Technik-Transfer in Gemeinschaftsfirmen der Autoindustrie aufgehoben, im Mai die Zölle für den Import von Luxusautos gesenkt. Die chinesische Führung leugnet einen Zusammenhang mit den Verhandlungen im Streit um Strafzölle, die Trump auf chinesische Waren verhängen will, doch der zeitliche Zusammenhang ist auffällig. Beides sind jedoch vor allem Geschenke an Deutschland. Li kündigte zudem „baldige Ergebnisse“ bei der Verhandlung eines Investitionsschutzabkommens mit der EU an. Dabei handelt es sich um die Vorstufe des Freihandels – und um einen Herzenswunsch Deutschlands. Wohl auch deshalb hat sich Merkel mit Kritik an China auffällig zurückgehalten.
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