IOC zieht Konsequenzen: Letzte Weltreise der Fackel
Der Olympische Fackellauf ist zu einer Farce geworden, und das IOC steht nach den Zwischenfällen in Paris vor einer Zerreißprobe.
Peking (dpa) - Der Olympische Fackellauf ist zu einer Farcegeworden, und das IOC steht nach den Zwischenfällen in Paris vor einerZerreißprobe.
Mit Empörung, Ohnmacht sowie Unverständnis habenSpitzenfunktionäre aus aller Welt am Rande der olympischen Woche inPeking auf gewalttätige Proteste und die erloschene Flamme in derfranzösischen Metropole reagiert. Aber schon jetzt scheint klar: DieFackel ist vier Monate vor dem Beginn der Spiele von Peking auf ihrerletzten großen Weltreise. Bereits bei den Winterspielen 2010 inVancouver soll die Flamme zwar im griechischen Olympia entzündet,danach allerdings nur noch in Kanada laufend zur Schau gestellt werden.
"Sokann es nicht weitergehen", schimpfte IOC-Mitglied Sergej Bubka, undIOC-Vizepräsident Thomas Bach gab zu bedenken: "Man muss sehrsorgfältig abwägen. Ein Abbruch würde ein Zurückweichen vor Gewaltbedeuten. Wenn man gegen Gewalt ist, muss man auch gegen Gewaltaufstehen. Je bedrohter eine positive Botschaft ist, umso wichtiger istsie."
Intern diskutieren die Mitglieder des InternationalenOlympischen Komittes (IOC) bereits seit Tagen über einen Abbruch desSpießrutenlaufens nach der Station San Francisco und eineWiederaufnahme auf chinesischem Boden ein paar Wochen vor derEröffnungsfeier. Am 11. April wird die IOC-Exekutive über die nächstenSchritte des 137.000 Kilometer langen und von Chinesen als "Reise derHarmonie" angepriesenen Fackellaufs entscheiden - die Abschaffung derinternationalen Route bei zukünftigen Spielen gilt als beschlosseneSache.
"Ich beteilige mich nicht an Spekulationen", sagteIOC-Präsident Jacques Rogge, "ein wichtiges Symbol ist attackiertworden, und ich bin sehr traurig, für die Athleten und die Menschen,die sich darauf gefreut haben." Für das australische IOC-Mitglied JohnCoates wäre eine Unterbrechung das falsche Signal: "Das ist, als ob mandem Terrorismus nachgeben würde." Das Pekinger Organisations-KomiteeBOCOG ist Veranstalter des Fackellaufs.
Vor den Spielen 2004 inAthen war die Flamme erstmals auf Welttour geschickt worden. Dasvermeintlich emotionale Schauspiel ist inzwischen zu einer weltweitenInszenierung mit riesengroßem Propaganda-Potenzial gewachsen. Eineweitere Störung der "symbolischen Friedensbotschaft" müsse unter allenUmständen verhindert werden, so der offizielle Tenor der 205 in Pekinganwesenden Nationalen Olympischen Komitees (NOK), aber das PR-Desasterfür die chinesischen Olympia-Macher und die Sponsoren ist vier Monatevor der Eröffnungsfeier längst perfekt.
China hat für seineStaatsspiele mindestens 30 Milliarden Dollar und sein ganzes Prestigeinvestiert. Das Politbüro der chinesischen KP will sich nicht derLächerlichkeit preisgeben. Dementsprechend wuchtig lief die Kampagnezur Schadensbegrenzung an. Eine "Handvoll" Unruhestifter habe in Parisder Mehrheit prochinesischer Zuschauer gegenüber gestanden, die mitteilweise sogar selbst genähten chinesischen Nationalflaggen freudigdem Olympischen Feuer zugejubelt hätten, berichteten Chinas Zeitungen.
Schonseit Wochen werden die Kritik an China und die Proteste der Tibeter alsVerschwörung antichinesischer Kräfte dargestellt, die den AufstiegChinas als politische und wirtschaftliche Macht verhindern wollten.Solche Töne kommen im patriotischen Volk gut an. Die Vorwürfe über"voreingenommene Berichterstattung" ausländischer Medien werden vonChinesen meist ungeprüft übernommen. Auch die Satellitenübertragung desUS-Nachrichtensender CNN oder der europäischen TV-Station Eurosportüber die Zwischenfälle in Paris wurden häufig zensiert. Waren kritischeStimmen zu hören, verschwand der Ton und der Bildschirm wurde schwarz.
Nachdemdie Unruhen beim Fackellauf in Paris eine neue Stufe der Eskalationerreicht hatten und die Flamme sogar für 20 Minuten erloschen war,machte sich beim nächsten Gastgeber USA schon vor der Ankunft des"gestürzten Symbols" (L'Équipe) in San Francisco Alarmstimmung breit.Peter Ueberroth, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der USA(USOC), reiste früher als vorgesehen aus Peking ab und soll nachdpa-Informationen sogar ein Krisen-Telefonat mit US-Präsident GeorgeBush geführt haben. Ueberroth erwarte, so Bach, "eine Mischung ausHooliganismus und Zirkus."
Die Fackel war am Dienstag in derkalifornischen Küsten-Metropole eingetroffen. 500 Sicherheitskräftestanden auf dem Flughafen bereit. Am Vorabend hatte es bereitsProtestaktionen gegen die Politik Chinas in Tibet gegeben. Auch an der10 Kilometer langen Route werden auf der einzigen US-Station der Fackelanti-chinesische Demonstrationen erwartet. "Wir machen uns Sorgen, aberwir hoffen auf die Vernunft der Menschen", erklärteUSOC-Generalsekretär Bill Scherr, "es ist einfach furchtbarunangemessen, dass der Fackellauf so beeinträchtigt wird."
EinEnde der Unruhen ist nicht in Sicht und die erhoffte Wende des IOC beider moralischen Legitimierung der Vergabe der Spiele an Peking wurdedurch die jüngsten Zwischenfälle erneut zumindest empfindlich gestört."Wir respektieren das Recht eines friedlichen Protests, aber die Fackelhat auch das Recht, friedlich herumgereicht zu werden", hieß es ineiner IOC-Pressemitteilung. The games must go on, aber Zuversicht hörtsich anders an.
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