Martin Schulz: Der Kämpfer
Der Sozialdemokrat Martin Schulz rückt an die Spitze des Europäischen Parlaments. Er will verbindlicher werden.
Der Angreifer zittert. Wenn am heutigen Dienstagmorgen im Straßburger Plenarsaal des Europäischen Parlaments die grünen Ziffern das Ergebnis der Präsidentenwahl verkünden, dann will Martin Schulz (SPD) wenigstens eine Vier am Anfang sehen. „So um die 440 Stimmen wäre eine breite Mehrheit“, sagt der bisherige Chef der sozialdemokratischen Fraktion in der EU-Volksvertretung. Heute wird er dessen Präsident werden. Das haben seine und die konservative Fraktion so vereinbart.
Martin Schulz: Die erste Kampfansage ist platziert
Dass es noch zwei weitere Kandidaten gibt (die Liberalen schicken die Britin Diana Wallis, die Londoner Konservativen Nirj Deva ins Rennen), ist reine Formsache. Vom Moment seiner Wahl an muss der Kämpfer Schulz sein, was er bisher nie war: präsidial. Dass er Zustände in Europa auch schon mal als Saustall bezeichnete und von Pfeifen im Amt sprach, hat dann vorbei zu sein. Seit Monaten übt er sich darin, verbindlicher, nachdenklicher, aber nicht weniger deutlich zu wirken. „Ich werde als Präsident dem Amt ein anderes Gesicht geben“, sagte er vor wenigen Tagen.
Die erste Kampfansage hat er bereits platziert. Anders als die bisherigen Amtsinhaber will der 56-Jährige seine Anwesenheit bei den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs nicht auf ein paar wohlklingende Worte zum Einstand beschränken. Er möchte mitmischen, nach seiner Rede nicht vor die Türe geschickt werden. Schulz drängt darauf, dabei zu sein und dabei zu bleiben.
Das hat er früh gelernt. Als junger Fußballer seines Heimatvereins Rhenania 05 Würselen. Nach einer Knieverletzung vor über 20 Jahren war die Sportlerlaufbahn am Ende, geblieben ist die Liebe zum Fußball. Nach der Schule absolvierte Schulz eine Buchhändler-Ausbildung, tingelte anschließend durch diverse Verlage, ehe er eine eigene Buchhandlung eröffnete. Lesen nennt er bis heute sein großes Hobby. Er liebt südamerikanische Literatur.
Mit 31 wird der verheiratete Vater von zwei Kindern Bürgermeister von Würselen, damals als jüngstes Stadtoberhaupt Nordrhein-Westfalens. 1994 wechselt er ins Europäische Parlament, 2004 rückt Schulz an die Spitze der Fraktion europäischer Sozialdemokraten. Schulz gilt als einer der Architekten jener Großen Koalition aus der konservativen Mehrheitsfraktion und seinen Sozialdemokraten, die seit Jahren für stabile Verhältnisse im Straßburger Abgeordnetenhaus sorgen. Dazu gehört auch die Absprache, die Schulz jetzt an die Spitze des Plenums bringen wird: Christ- und Sozialdemokraten hatten am Beginn der Legislaturperiode vereinbart, die Amtszeit – für jeweils zweieinhalb Jahre – zu halbieren.
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