Pressestimmen zum EU-Afrika-Gipfel
Die scharfe Kritik der Kanzlerin an der Menschenrechtspolitik des afrikanischen Diktators Robert Mugabe hat ein gespaltenes Echo in der deutschen Presse ausgelöst. "Scheinheilig" sagen die einen, "genau richtig" die anderen.
Die Welt:
"Statt den diplomatisch wendigeren und üblichen Weg der Kritik in Hinterzimmern zu gehen, wenn überhaupt, sprach Merkel zu Beginn des Afrika-Gipfels in Lissabon deutliche öffentliche Worte in Richtung Simbabwe, das mit seiner ruinösen und menschenverachtenden Politik zum Kristallisationspunkt internationaler Kritik geworden ist. Kein Despot hört das gerne. Dass sich aber alle afrikanischen Staatsvertreter weiter unverdrossen hinter Mugabe stellen, ist ein Armutszeugnis. Wann hört dieser postkoloniale Katzenjammer und Zynismus auf und wann lernen die Machthaber endlich, sich an internationalen Standards und staatsmännischem Handwerk messen zu lassen?
Main-Echo (Aschaffenburg):
"Das ist der Knackpunkt: Dass Afrika als gleichberechtigter Partner in Europa behandelt werden möchte, ist so verständlich wie berechtigt. Zu einem solchen Dialog gehört aber auch, dass keine Themen ausgeschlossen werden. Wenn Menschenrechte verletzt, Wahlen manipuliert oder die Medien gegängelt werden, muss das zur Sprache kommen - ob gegenüber Russland oder Simbabwe."
Hannoversche Allgemeine Zeitung:
"So populär die Kritik an Menschenrechtsdefiziten auch sein mag: Man darf die bloße Forderung nach Menschenrechtspolitik nicht schon für deren Verwirklichung halten. Die Taten der Europäer müssen zu ihren Worten passen, und da wird der Auftritt der Kanzlerin leider durch den sonstigen Ablauf des Gipfels blamiert. Während Merkel von der politischen Bühne herab schulmeisterlich über Menschenrechte dozierte, wurde in der Kulisse das Geschäftsklima mit Gestalten gepflegt, die ebensowenig als Menschenrechtsvorkämpfer taugen wie Mugabe. Wie kann man Simbabwes Herrscher schneiden oder schelten - und zugleich die Staatschefs Libyens, Nigerias oder Tunesiens hofieren? Liegt es etwa daran, dass diese Länder als Öllieferanten unverzichtbar sind - anders als Simbabwe?"
Neue Osnabrücker Zeitung:
"Es (ist) richtig, die Unterdrückung der Menschen in Simbabwe durch Robert Mugabe so direkt anzuprangern, wie es Kanzlerin Angela Merkel getan hat. Dass dem Machthaber allerdings manche afrikanische Kollegen beispringen, ist bedauerlich. Auch machen sie es sich zu einfach, wenn sie immer noch den Kolonialismus als Ursache vieler Missstände vorschieben. Eher verstehen kann man da schon das Bestehen der Afrikaner auf fairen Handelsbedingungen. Denn Entwicklungshilfe für die Menschen auf dem Schwarzen Kontinent allein reicht nicht. Viel wichtiger ist, dass ihnen der europäische Markt nicht versperrt bleibt. Daher müssen die Europäer bei den Handelsabkommen nachbessern. Schon im eigenen Interesse."
Westdeutsche Allgemeine Zeitung:
"Wie schon im Fall Russland oder China war Kanzlerin Merkel eine Freundin des offenen Wortes. Simbabwes Diktator Mugabe geriet ins Fadenkreuz der deutschen Regierungschefin. Nicht zu Unrecht, Mugabe hat sein Land abgewirtschaftet, was noch eine zu vornehme Bezeichnung für das himmelschreiende Unrecht ist, das täglich in Simbabwe abläuft. Nur, diese Merkelsche Kritik zwingt viele afrikanische Politiker zu Solidaritätsadressen an den greisen Ex-Guerillero. Mehr Druck zu friedlichem Wandel erzielt die Kanzlerin damit nicht. Wenn Merkel anschließend Darfur und Somalia als Beispiele für konstruktives europäisches Handeln darstellt, wähnt sich mancher Betrachter im falschen Film. Seit Jahren gehen in diesen Regionen die Menschen elendig zu Grunde."
Braunschweiger Zeitung:
"Natürlich hat Merkel Recht, wenn sie Afrika aufruft, Mugabes Regime ein Ende zu setzen. Das aber ist auch nicht der eigentliche Grund für die Empörung der Afrikaner. Auch durchaus demokratische Staatschefs wie der Südafrikaner Thabo Mbeki wissen, was in Simbabwe vor sich geht, und kritisieren Mugabe trotzdem nicht. Denn so unverständlich das in Europa klingt: Für die Afrikaner ist Mugabe noch immer ein Held, auf einer Stufe fast mit Nelson Mandela. Und die Nachfahren der Freiheitskämpfer in Afrika hören es nun mal nicht gern, wenn die Nachfahrin einer früheren Kolonialmacht schlecht über ihre Helden spricht."
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