Europa rückt enger zusammen
Europa ist in der Nacht enger zusammengerückt. Neun weitere EU-Staaten gehören jetzt zur "Schengen-Zone", fast 400 Millionen Menschen können nun ohne Grenzkontrollen in 24 Staaten reisen. Doch es gibt auch Ängste.
Berlin (dpa) - Europa ist in der Nacht zum Freitag noch enger zusammengerückt. Mit der offiziellen Aufnahme von neun weiteren EU- Staaten in die Schengen-Zone ist nun für fast 400 Millionen Menschen der Reiseverkehr ohne Grenzkontrollen in nunmehr 24 Staaten möglich.
Damit gilt das 1985 geschlossene Schengen-Abkommen nun für Reisen in fast die gesamte Europäische Union. Ausnahmen sind Großbritannien und Irland sowie Rumänien, Bulgarien und Zypern. Der historische Moment wurde vielerorts mit Feuerwerk, Musik und spontanen Partys gefeiert.
Als erste Schengen-"Neulinge" erlebten die Bewohner der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland den Wegfall der Grenzen. Wegen der Zeitverschiebung feierten Tausende von Menschen mit Feuerwerk und dem Abspielen der Europa-Hymne "Ode an die Freude" bereits um 23.00 Uhr MEZ (Mitternacht Ortszeit) an den Grenzübergängen.
Besondere Freude herrschte in den seit fast 90 Jahren getrennten Grenzorten Valga (Lettland) und Valka (Estland). "Endlich können Valga und Valka wieder als eine einzige Stadt leben", sagte Valkas Bürgermeister Unda Ozolina. Die von deutschen Rittern im Mittelalter gegründete Stadt Walk wurde nach 1918 mit dem Zerfall des russischen Zarenreichs von estnischen und lettischen Nationalisten geteilt.
Am ungarisch-österreichischen Autobahn-Grenzübergang Hegyeshalom- Nickelsdorf winkten Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und sein ungarischer Kollege Ferenc Gyurcsany die Autofahrer durch. An diesem Grenzübergang hatten Autofahrer in den vergangenen Jahren oft stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Ungarns Präsident Laszlo Solyom sagte, nunmehr werde ein Freiheitszustand wiederhergestellt, den Ungarn seit hundert Jahren nicht mehr hatte.
Mit Musik und Feuerwerk feierten auch die Bewohner der deutsch- polnischen Grenzregionen in der Nacht zum Freitag den Wegfall der Passkontrollen. Kurz vor Mitternacht fertigten bei Frankfurt (Oder) deutsche und polnischen Grenzbeamte zum letzten Mal Autofahrer und Fußgänger ab. Auf Usedom wurden die Grenzübergänge in Partymeilen verwandelt.
Auch an den Übergängen zwischen Bayern und Tschechien wurde kurz vor Mitternacht zum letzten Mal kontrolliert. "Das ist ein historischer Moment, der dazu beiträgt, dass Europa weiter zusammenwächst, sagte der Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, Jürgen Heike (CSU), am Grenzübergang Schirnding.
Die Grenzöffnungen werden begleitet von Befürchtungen deutscher Sicherheitsexperten, dass die Kontrollen als Ersatz nicht ausreichten. Dies wies EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zurück. "Europa wird sicherer als vorher", schrieb Barroso in einem Gastbeitrag für die "Schweriner Volkszeitung" (Donnerstag). Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies die Befürchtungen zurück. Zwar würden "die Grenzkontrollen abgeschafft, aber im Umkreis von 30 Kilometern wird die Bundespolizei mit erhöhtem Personalaufwand Kontrollen durchführen", sagte Schäuble der Tageszeitung "Die Welt" (Freitag). "Darum werden wir einen Gewinn an Sicherheit haben, nicht einen Verlust."
Der grenzkontrollfreie Verkehr gilt zunächst für Auto- und Zugreisende sowie in Häfen. Vom 30. März an wird dann auch bei Flugreisen nicht mehr kontrolliert. Die Schengen-Zone hat damit 24 Mitgliedstaaten, von denen 22 zugleich EU-Staaten sind.
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