Baschar al-Assad spricht von ausländischer Verschwörung
Lange Zeit galt der syrische Präsident Baschar al-Assad als Hoffnungsträger. Doch jetzt, da die Menschen für Freiheit demonstrieren, spricht er von ausländischer Verschwörung.
Es war wie schon so oft in den letzten gut zehn Jahren. Mit Spannung und Hoffnung blickten viele Syrer am Mittwochabend auf die groß angekündigte Rede ihres Präsidenten Baschar al-Assad, der sich erstmals seit Beginn der Proteste an das Volk wandte: Was blieb, war Enttäuschung, die sich in erneuten Demonstrationen entlud.
Kein Wort von Reformen, keine Selbstkritik, keine Silbe des Bedauerns angesichts Dutzender Oppositioneller, die in den letzten Tagen von Sicherheitskräften erschossen wurden. Die Protestwelle? Für al-Assad nichts anderes als eine „ausländische Verschwörung“.
Enttäuschte Hoffnungen – ein Stichwort, das Menschenrechtsorganisationen schon vor Beginn der Unruhen in Syrien mit der Präsidentschaft al-Assads in Verbindung brachten. Anlässlich des zehnten Amtsjubiläums im Juli 2010 zog die Direktorin der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch, Sarah Leah Whitson, eine ernüchternde Bilanz: „Die Hoffnungen der Syrer auf eine neue Ära politischer Freiheit unter der Herrschaft al-Assads haben sich zerschlagen.“
Haben also die Beobachter recht, die den 45-Jährigen für eine kleinere Ausgabe seines berühmt-berüchtigten Vaters Hafiz al-Assad halten? Jenes Herrschers also, der 1970 putschte und bis zu seinem Tod im Jahr 2000 an der Macht war. So weit würde der langjährige Nahostkorrespondent der ARD und Autor Marcel Pott nicht gehen: „Hafiz al-Assad war außenpolitisch ein ausgefuchster Realpolitiker, der es während des Kalten Krieges glänzend verstand, zwischen den Machtblöcken zu taktieren. Doch im Land ging er mit gnadenloser Härte gegen seine Widersacher vor“, sagt der Nahostexperte, der den Herrscher kennengelernt hatte, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Viele Syrer verschwanden einfach, ohne dass die Familien informiert wurden.“ Einige der schlimmsten Methoden des Vaters habe der Sohn zunächst nicht übernommen, schätzt Pott ein. Es sei eben ein Unterschied, ob man – wie „der Alte“ – die Macht in einem völlig zerrissenen Land erkämpft, oder ob man sie ererbt.
Hafiz al-Assad trat mit 16 Jahren in die Baath-Partei ein, bevor er im Militär Karriere machte. 1970 kam er nach einem von ihm mit initiierten Putsch an die Macht, die er mit äußerster Brutalität absicherte. Er besetzte Schaltstellen in der Armee und den Geheimdiensten mit Alewiten, einer Religionsgemeinschaft, der auch die Familie al-Assad angehört. Für seinen Sohn Baschar stellten sich 1994 die Weichen neu, als sein großer Bruder, der als Nachfolger vorgesehen war, bei einem Autounfall ums Leben kam. Bis dahin sah es so aus, dass sich Baschar als Augenarzt in London niederlassen würde. Doch als der Vater im Jahr 2000 nach jahrelanger Herzkrankheit starb, musste das in der Verfassung festgeschriebene Mindestalter für Präsidenten von 40 auf 34 Jahre gesenkt werden, um die Wahl Baschar al-Assads – er erhielt 98 Prozent der Stimmen – zu ermöglichen. Die Machtübernahme elektrisierte das Land. Das Wort vom „Frühling in Damaskus“ machte die Runde. Der junge Präsident sprach von „Transparenz“, ja gar von „Demokratie“. Es zog ein neuer Stil ein im Regierungspalast, personifiziert nicht zuletzt von Assads Frau Asma, die als weltoffen und attraktiv gilt.
Dann plötzlich Anfang 2001 war alles vorbei. Dem Frühling folgte kein Sommer, sondern ein Winter. Da waren sie zum ersten Mal da, die enttäuschten Hoffnungen.
„Es liegt auf der Hand, dass Geheimdienste und Armee diesen Kurswechsel zumindest beeinflusst haben“, sagt Pott. Ein Befund, der für den Publizisten zu den beiden aktuellen Kernpunkten führt: „Ist Baschar al-Assad ein Reformer oder tut er nur so? Und wenn er tatsächlich ein Reformer sein sollte, hat er die Machtfülle, sich gegen die konservativen Kräfte durchzusetzen?“ Pott gesteht ein, dass er diese Fragen derzeit nicht beantworten könne. Die meisten Syrer, das wisse er aus vielen Gesprächen in Damaskus, „sind sich sicher, dass der Präsident die Fäden fest in der Hand hält“.
Das bedeutet aber auch, dass Baschar al-Assad, der nach Potts Ansicht noch immer eine gewisse Popularität besitzt, persönlich verantwortlich gemacht wird, wenn die Reformen ausbleiben. Verlieren die Menschen ihre Angst vor dem Regime, könnte das dann eine enttäuschte Hoffnung zu viel sein. Gestern, nach dem Freitagsgebet zogen wieder Zehntausende durch die Städte, um für Demokratie zu demonstrieren...
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