Hitze und kaum Regen: Die Getreideernte fällt ernüchternd aus
Der Bauernverband rechnet mit einem unterdurchschnittlichen Ertrag, wenn auch etwas besser als 2021. Nicht nur die Trockenheit stellt die Landwirtschaft vor Probleme.
Der Klimawandel macht es der Landwirtschaft immer schwerer, daran lässt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, keine Zweifel. "Die in vielen Regionen des Landes lang anhaltende Trockenheit zeigt erneut, dass wir die Auswirkungen sehr direkt zu spüren bekommen", sagt er. Das wirkt sich auf die Ernte aus. Der Bauernverband rechnet mit 43 Millionen Tonnen Getreide, also knapp zwei Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Dafür aber deutlich weniger als im Zeitraum 2014 bis 2021, in dem der Schnitt bei 45,6 Millionen lag. Besonders deutlich seien heuer die regionalen Unterschiede gewesen.
Zu den Sorgen der Bäuerinnen und Bauern kommen auch die stark gestiegenen Kosten für Energie und Logistik. Ein Anstieg, der wohl nach und nach bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen wird. "Wir benötigen ein höheres Preisniveau für unsere Erzeugnisse", sagt Rukwied. Infolge der Trockenheit rechnet der Präsident des Bauernverbands damit, dass künftig mehr Flächen bewässert werden. "Aber das wird marginal bleiben." Zu hoch seien die Kosten. Vielerorts werde mit einem Wandel hin zu wärmeliebenden Pflanzen experimentiert. Ein Risiko, denn auch wenn Experten für Mitteleuropa ein zunehmend trocken-heißes Klima prognostizieren, werde es wohl alle vier bis sechs Jahre feucht und kühl werden. "Wir haben kein Patentrezept", so Rukwied.
Folge der Trockenheit: Tierfutter wird knapp
Besonders dramatisch wirkt sich die diesjährige Trockenheit auf einige Betriebe mit Viehzucht aus. "In den Dürreregionen sind ein, zwei Grasschnitte ausgefallen", sagt Rukwied. Die Folge: "In diesen Regionen müssen die Betriebe schon ans Winterfutter ran." Das werfe die Frage auf, wie sie ihre Tiere durch die kalte Jahreszeit bringen sollen.
Einen starken Einfluss der Trockenheit auf die Ernte sieht auch die Europäische Dürrebeobachtungsstelle. In einem Bericht heißt es, mit Stand 10. August werde für knapp die Hälfte des europäischen Gebiets vor Dürre gewarnt. Auf fast einem Fünftel der Fläche sei der Zustand bereits alarmierend. Seit Anfang August habe das Problem weiter zugenommen.
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sagt: "Dieser Sommer zeigt uns erneut, wie massiv der Klimawandel die Landwirtschaft in Bayern trifft." Sie möchte deshalb insbesondere die Forschung im Bereich "Anpassungsstrategien an den Klimawandel und Klimaschutz" unterstützen.
Wenig übrig hat Rukwied vom Bauernverband für die Pläne der Europäischen Kommission, die im Sinne einer umweltfreundlichen Landwirtschaft etwa ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten will. "Die Ziele gehen wir mit", sagt der Präsident des Bauernverbands und meint damit mehr Biodiversität und den Trend hin zu weniger Pflanzenschutzmittel. Aber ein Verbot hätte laut Rukwied verheerende Folgen: "Wir wären nicht mehr in der Lage, die Ernährungssicherheit gewährleisten zu können." Die Pläne der "Damen und Herren in den EU-Glaspalästen" würden tausende bäuerliche Existenzen zerstören.
Die Landwirtschaft braucht mehr Klimaschutz, fordert der WWF
Umweltorganisationen fordern währenddessen mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft. Johann Rathke, Koordinator für Agrarpolitik des WWF, schreibt in einer Pressemitteilung: "Die erneute durchwachsene Erntebilanz hat menschengemachte Ursachen. Die extreme Dürre ist eine Folge der Klimakrise. Sie sollte auch die letzten Bremser überzeugen, endlich wirksamen Klima- und Umweltschutz als integralen Bestandteil in der Landwirtschaft zu verankern." Landwirtinnen und Landwirte sollen etwa trocken gelegte Moorstandorte wieder vernässen und mehr Hecken als Schutz gegen Bodenerosion einsetzen.
Die Anbaufläche für Biogetreide sei zuletzt leicht gewachsen, sagt Rukwied. In Zukunft sieht er hier aber keine große Steigerung. Die Nachfrage nach Ökoprodukten sinke, eine Folge von höheren Preisen. "Das belastet den Sektor, aber auch Hofläden."
In Bayern fielen die Ernteerträge pro Hektar bei Winterweizen und Wintergerste laut einer Umfrage unter den Bauern noch geringer aus als im deutschlandweiten Schnitt. Auch mit den Ergebnissen bei der Braugerste sind die Landwirte nicht zufrieden. Hermann Greif, Getreidepräsident des Bayerischen Bauernverbands, sagt: "Die Wintergerste hat noch am besten abgeschnitten. Sie konnte die im Boden vorhandene Feuchtigkeit nutzen, auch wenn vereinzelt von Schmachtkorn, also zu kleinen Körnern mit wenig eingelagerter Stärke, berichtet wurde." Die regionalen Unterschiede innerhalb Bayerns seien selten so groß gewesen. Das zeigt der Blick nach Schwaben. Hier rechnen die Bauern bei Winterweizen und Wintergerste mit einer Ernte, die pro Hektar mehr als zehn Prozent über dem bayernweiten Schnitt liegt.
Das Getreide leidet, dem Wein geht es gut
Einen Lichtblick gibt es in Deutschland auch beim Wein. "Wir erwarten einen ausgezeichneten 2022er-Jahrgang", sagt Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband. Bei Äpfeln rechne er ebenfalls mit einer leicht überdurchschnittlichen Ernte. Die könnte in Zukunft aber bedroht sein: Infolge des angehobenen Mindestlohns ab Oktober befürchtet Rukwied einen Flächenrückgang beim Obst- und Gemüseanbau. Er fordert einen europäischen Mindestlohn, der in jedem Land auf dem gleichen Niveau liegt. Nur so könne Deutschland wettbewerbsfähig bleiben.
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