Mehr Autonomie für Korsika?
Der Vorstoß von Präsident Emmanuel Macron öffnet die Tür zu einer möglichen Verfassungsänderung – was das konkret bedeutet, gilt es noch zu klären.
Lange galt die Idee als unrealistisch: Ein autonom regiertes Korsika, das nicht komplett unabhängig vom französischen Zentralstaat wäre, aber weitreichende Kompetenzen für seine eigene Verwaltung bekäme. Nun hat Präsident Emmanuel Macron eine mögliche Umsetzung in Aussicht gestellt. Während seines dreitägigen Besuchs auf der sogenannten Insel der Schönheit versprach er am Donnerstag „Autonomie auf Korsisch“. Konkret wurde er zwar nicht. Dennoch handelt es sich um einen Erfolg für die gemäßigten Nationalisten, die seit 2015 in Korsika an der Regierung sind. Anders als die früheren Freiheitskämpfer des Front de libération nationale corse (FLNC), die mitunter gewaltsam vorgingen, verlangen diese keine vollständige Unabhängigkeit.
Im Juli dieses Jahres stimmte das Regionalparlament für einen Beschluss, der unter anderem die Forderungen nach einer Anerkennung der „Einzigartigkeit“ des korsischen Volkes, der Einführung von Korsisch als zweiter Amtssprache und einen speziellen Anwohnerstatus enthielt. Mit Letzterem wollen sich die Einheimischen vor schwindelerregenden Immobilienpreisen auf der Insel schützen.
Innerhalb eines halben Jahres soll ein Vorschlag zur Verfassungsänderung vorliegen
Binnen sechs Monaten sollen die korsischen Volksvertreter und die Pariser Unterhändler nun gemeinsam einen Vorschlag als Basis für eine mögliche Verfassungsänderung erarbeiten. Dafür ist die Zustimmung der beiden Parlamentskammern nötig. In der Nationalversammlung, wo Macron über keine absolute Mehrheit verfügt, wäre er auf Stimmen der Linken angewiesen. Der Senat wiederum ist von den rechtsbürgerlichen Republikanern dominiert, die Autonomiebestrebungen skeptisch gegenüberstehen.
Zu einem Gesinnungswandel der Regierung führte der brutale Tod des korsischen Nationalhelden Yvan Colonna im März 2022. Für die Ermordung des Präfekten Claude Érignac, der die Pariser Regierung auf der Insel repräsentierte, im Jahr 1998 saß Colonna eine lebenslange Haftstrafe ab – nicht in seiner Heimat, wie er selbst es wünschte, sondern im südfranzösischen Arles. Dort tötete ihn ein Mithäftling in einem Sportsaal. Colonnas Tod löste heftige Ausschreitungen auf der Insel aus.
Die Vertreter Korsikas sind sich nicht einig
Unter den Vertretern Korsikas herrscht Uneinigkeit über die konkrete Ausgestaltung. Die Menschen in seiner Stadt diskutieren nicht über eine Verfassungsreform, sondern seien besorgt über soziale Fragen wie die Kaufkraft oder die Wohnungspreise, sagte der Bürgermeister von Ajaccio, Stéphane Sbraggia. „Wenn Autonomie bedeutet, unter sich zu bleiben und diejenigen, die nicht Korsisch sprechen, auszuschließen, interessiert sie mich nicht.“
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