DRK-Chefin kritisiert Bundeshaushalt als "Schlag ins Gesicht"
Exklusiv Rot-Kreuz-Präsidentin Gerda Hasselfeldt warnt die Koalition vor den Folgen der geplanten Haushaltskürzungen bei den Sozialverbänden und der Katastrophenhilfe.
Frau Hasselfeldt, in dieser Woche diskutiert der Bundestag in mehreren Sitzungen über den Haushalt. Wie fällt Ihre Bewertung des Entwurfs der Ampelkoalition aus?
Gerda Hasselfeldt: Für das Deutsche Rote Kreuz ist es ein sehr schwieriger Haushalt. Es sind tiefgreifende Kürzungen für unsere Arbeit vorgesehen, und das in einer Zeit, in der viele Menschen auf unsere Hilfe angewiesen sind. Das betrifft beispielsweise die Menschen, die als Zuwanderer eine Migrationsberatung brauchen. Es betrifft Menschen, die von Extremwetterereignissen betroffen sind. Und es betrifft die Menschen, die im Alter oder wegen einer Krankheit Pflege brauchen. Diese Kürzungen treffen nicht nur das Rote Kreuz, sondern alle Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände. Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in Not sind und die sich in unserer Gesellschaft für Menschen in Not engagieren.
Sie sprechen von Kürzungen im Bereich der Migrationshilfe. Was würde dies konkret bedeuten?
Hasselfeldt: Die Folgen wären dramatisch. Es geht um drei Bereiche – die Migrationsberatung, die Asylverfahrensberatung und die psychosozialen Zentren. In Letzteren wird Menschen geholfen, die zum Beispiel durch ihre Flucht traumatisiert sind. Dort sollen 60 Prozent der bisherigen Mittel wegfallen. Bei der Asylverfahrensberatung sollen die Gelder um beinahe die Hälfte reduziert werden und bei der Migrationsberatung sind es fast 30 Prozent. Das ist ein Kahlschlag und stellt unsere Arbeit in diesem Bereich infrage. Angesichts von so vielen Migranten, die nach Deutschland kommen, ist das völlig unverständlich. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Geld.
Sieht es in der Katastrophenhilfe ähnlich aus?
Hasselfeldt: Leider ja. Und dabei sind die Folgen der Flut im und um das Ahrtal noch nicht einmal beseitigt. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, aus dieser Katastrophe zu lernen. An zehn Standorten in Deutschland soll in großen Lagern Material für diese Notfälle vorgehalten werden – sogenannte mobile Betreuungsmodule. Dazu zählen zum Beispiel wetterfeste Zelte, mobile Arztpraxen, geländegängige Fahrzeuge und so weiter. Mit dem Bestand aus einem Modul können 5000 Menschen betreut werden. Der Bund hatte zugesagt, diese Krisenvorsorge zu treffen. Das war Konsens. Doch von den zehn Modulen ist momentan nur eines vollständig finanziert, das wir als Rotes Kreuz betreiben. Ein Modul kostet rund 30 Millionen Euro. Im Haushaltsentwurf 2024 sind aber lediglich neun Millionen dafür vorgesehen.
Die Lehren aus der Überflutung des Ahrtals verblassen also?
Hasselfeldt: Ich befürchte das. Für den Bevölkerungsschutz ist Prävention und proaktives Handeln notwendig und nicht abwartendes Reagieren nach dem Motto, es wird schon nichts passieren. Und wenn was passiert, dann werden wir das schon irgendwie hinkriegen. Die Flut, mit Schwerpunkten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, hat das Gegenteil gezeigt. Das ist eigentlich nicht zu verantworten. Es ist auch für die Ehrenamtlichen bei uns, in den Feuerwehren, beim THW und anderen Hilfsorganisationen extrem frustrierend.
Gespart werden soll auch bei den freiwilligen sozialen Diensten ...
Hasselfeldt: Ja, und zwar um 25 Prozent. Wir diskutieren breit das Für und Wider eines Pflichtdienstes und streichen beim Freiwilligendienst. Das passt überhaupt nicht in die aktuelle Situation. Wichtiger wäre, dass wir wenigstens die bestehenden Freiwilligendienste attraktiver ausgestalten, beispielsweise mit einer Erhöhung des Taschengeldes, mit der Möglichkeit, auch den Nahverkehr kostenlos benutzen zu können, mit der Möglichkeit, diese Zeit auch anzuerkennen bei der Zulassung zum Studium. Eine attraktivere Gestaltung des Freiwilligendienstes wäre eigentlich angebracht und nicht Kürzungen, so wie es jetzt geplant ist.
Haben Sie mit Bundesfinanzminister Christian Lindner und Innenministerin Nancy Faeser über die Folgen der Kürzungen gesprochen?
Hasselfeldt: Wir sind in all diesen Fragen, und zwar alle Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände, in ständigen Gesprächen mit den Abgeordneten und auch mit der Regierung. Diese Gespräche laufen seit Monaten intensiv. Das Verständnis für unser Anliegen ist vorhanden, aber es wird dann immer gesagt, wir müssen halt den Rotstift ansetzen. Wir rufen die Abgeordneten auf, bei den Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen die Kürzungen im Budget abzuwenden.
Wie groß ist Ihre Hoffnung, hier und da noch etwas Kleines herausholen zu können?
Hasselfeldt: Wir brauchen nicht nur kleine Verbesserungen, sondern hohe Summen. Die Not ist wirklich groß und der Bedarf steigt. In diesen Bereichen zu kürzen ist leichtsinnig und nicht verantwortbar.
Zur Person: Gerda Hasselfeldt ist seit Ende 2017 Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes. Davor hatte die Niederbayerin in der Politik Karriere gemacht. Die heute 73-Jährige war Bau- und Gesundheitsministerin, Vizepräsidentin des Bundestages und Landesgruppenchefin der CSU. Ihr jüngerer Bruder Alois Rainer ist ebenfalls in die Politik gegangen. Er sitzt für die CSU im Bundestag.
Die Diskussion ist geschlossen.
Frau Hasselfeldt hat recht. Die Unterstützung von sozial Bedürftigen darf nicht so gekürzt werden.
Andrerseits muss der Staat Steuerverschwendungen eindämmen! Zwei Beispiele mit denen ich jüngst befasst war:
Viel Geld wird auch durch unsinnige Straßenausbauten verschwendet. Beispiel Staatsstraße 2036 von Holzhausen (Gablingen) über den Peterhof (Gersthofen) nach Emersacker. Die Fahrbahndecke muss natürlich mal nach Jahrzehnten erneuert werden. Doch eine Begradigung und Tieferlegung dieser schön trassierten Strecke ist überflüssig. Dient nur den Straßenbauunternehmen und schadet den Steuerzahlern. Auch viele überdimensionierte Straßenausbauten im Landkreis Dillingen, die durch den CSU-Abgeordneten Winter, der jahrelang Vorsitzender des Haushaltsausschuss im Landtag war, vorangetrieben wurden.
* Beispiel Bahn. Weil man eine im Oktober 2022 durch einen Traktor zerstörte Sicherungsanlage auf der Bahnstrecke Ulm – Memmingen nicht zeitnah repariert, sind dort jetzt fast rund um die Uhr Mit-arbeiter für die Sicherung stationiert. Es müsste doch Ersatzteile geben!
https://rt1.imsueden.de/probleme-am-fellheimer-bahnuebergang-343573/
Raimund Kamm
„Andrerseits muss der Staat Steuerverschwendungen eindämmen!“
Herr Kamm, diese Ansicht gefällt mir. Welches Einsparpotential allerdings die von Ihnen genannten Einzelfälle enthalten, kann ich nicht abschätzen. Außerdem würde ich die Personalkosten der Bahn-Mitarbeiter dem Bereich „Eh-da-Kosten“ zuordnen.
Ein großes Problem sind die deutschen Politiker, die immer noch von einem Wirtschaftswunder träumen und tagtäglich vom reichen Deutschland fabulieren. Erst am Montagabend wurden gegen Ende der Sendung „hart aber fair“ namentlich Beispiele genannt, wo Spitzenpolitiker bei Neubauvorhaben der Bahn sich nicht für das Gemeinwohl einsetzten, sondern für Partikularinteressen.
Helmut Eimiller
@ Eimiller
>>Außerdem würde ich die Personalkosten der Bahn-Mitarbeiter dem Bereich „Eh-da-Kosten“ zuordnen.<<
Das stimmt in diesem Fall wohl nicht. Mit der Sicherung werden externe Dienstleister beauftragt.
Und wenn die für nahezu 24 Stunden und 7 Tagen in der Woche jemand einsetzen, müssen somit wohl -5- Leute bezahlt werden. Grob geschätzt: 5 Leute mal 5.000 € für den Personaldienstleister macht 25.000 €/Monat.
Raimund Kamm
Mich beeindrucken nach wie vor die beispielhaft genannten Einflussnahmen von Wolfgang Schäuble und Lars Klingbeil ganz besonders. Da musste dann im Flachland bei Offenburg ein Tunnel gebaut werden oder die Neubaustrecke durch die Heide wird bekämpft. Bei „hart aber fair“ wurde auch angesprochen (ca. 70. Minute), dass so alle Budgets gesprengt werden und dies auch die Ökobilanz der Bahn sowohl beim Bau als auch beim Betrieb verschlechtert.
Wenn tatsächlich bei der DB die Auftragsvergabe sehr leichtfertig erfolgt, dann betrifft dieses Fehlverhalten im Normalfall das mittlere Management. Von daher sehe ich da eher Chancen, kurzfristig bessere Entscheidungen herbeizuführen.
Helmut Eimiller
Ein heute veröffentlichtes Beispiel, wie die Deutsche Bahn sich der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof entzieht und vermutlich zig Millionen Euro Steuergelder verschwendet
Wie bei der DB vermutlich Millionen, vielleicht sogar hunderte Millionen, verschwendet werden.
„Der neue Sonderbericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestages lässt aufhorchen: Die Rechnungsprüfer monieren, dass ihnen die Deutsche Bahn wesentliche Unterlagen, bei denen es um die korrekte Verwendung von Milliardenmitteln aus dem Haushalt ging, nicht zur Prüfung zur Verfügung gestellt hat. Das Bundesverkehrsministerium unterstützt indirekt die DB, indem es dem Bundesrechnungshof empfiehlt, gegen die DB beim Verwaltungsgericht zu klagen. Ein Bundesministerium fordert also eine oberste Bundesbehörde auf, das größte Staatsunternehmen vor Gericht zur Herausgabe von Akten zu zwingen, statt es als Eigentümervertreter und Budgetverantwortlicher direkt anzuweisen.“
https://die-gueterbahnen.com/news/wirksame-ausgaben-und-erfolgskontrolle-ist-noetig-und-keine-privatangelegenheit-der-db-ag.html
Die verantwortlichen Manager und der Verkehrsminister müssen zur Rechenschaft gezogen werden!
Raimund Kamm
Herr Kamm, dann war wohl aus Sicht der Führungsclique der Bundesbahn die „Privatisierung“ hin zur DB AG doch ein großartiger Erfolg:
1. Brachte sie doch nach 1978 (https://www.spiegel.de/politik/besser-bezahlt-a-7b58aaf4-0002-0001-0000-000040617134) wieder großartige Gehaltssteigerungen und weitere hochbezahlte Stellen mit sich.
2. Als AG sieht man sich natürlich nicht verpflichtet, den lästigen Prüfern vom Bundesrechnungshof Einsicht in die Geschäftsbücher zu gewähren.
So ist das eben, wenn man in der Privatwirtschaft überaus große Erfolge erzielt. War mit der „Hochzeit im Himmel“ von Daimler und Chrysler auch so. Das Jahresgehalt von Jürgen Schrempp hat sich damals wohl auch vervielfacht. – vgl. https://www.fr.de/wirtschaft/kein-rankommen-13787471.html und https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gescheiterte-fusion-von-daimler-und-chrysler-pleite-nach-lehrbuch-1.1666592
Jeder hält sein Anliegen, seine Forderung vom staatlichen Geldtopf, für lebensnotwenig und unabdingbar. Lösung: Erhöhung des Bundeshaushalts um 100% :))