Deutschland ist ein "Nehmerland" bei der Organspende
Seit Jahren sinkt die Zahl der Organspenderinnen und -spender in Deutschland. Nun haben Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen im Bundesrat eine Initiative vorgelegt, um das zu ändern.
Beim Thema Organspende hat Deutschland offenbar noch einen langen Weg vor sich. 2022 gab es so wenige Spenderinnen und Spender wie schon lange nicht mehr. Dabei stagniert die Zahl bereits seit zehn Jahren auf einem niedrigen Niveau, Deutschland gehört zu den Schlusslichtern Europas. Im Verbund Eurotransplant, der in acht europäischen Ländern Organe vermittelt, profitiert man hierzulande von der Spendenbereitschaft der Nachbarländer.
Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellten im vergangenen Jahr lediglich 869 Menschen in Deutschland nach ihrem Tod eines oder mehrere ihrer Organe zur Verfügung, etwa zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Demgegenüber warten nach Angabe der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) momentan 8500 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Vielen von ihnen läuft die Zeit davon. Durchschnittlich sterben mindestens zwei bis drei Menschen pro Tag, weil sie kein Spenderorgan erhalten. Wer eine Niere braucht, bekommt sie in Deutschland im Schnitt nach acht Jahren.
Deutschland geht bei Organspende einen Sonderweg
Ist der Organspende-Skandal, der 2012 publik wurde, Schuld daran? An mehreren deutschen Kliniken hatte medizinisches Personal Daten manipuliert, um Patienten bei der Vergabe von Spenderorganen zu bevorzugen. Seither sinken die Zahlen für Organspenden. Ein wichtiger Grund für die wenigen Spenden dürfte in jedem Fall Deutschlands Sonderweg sein. Zurzeit gilt die erweiterte Zustimmungslösung. Spendenwillige müssen ausdrücklich ihren Wunsch, zu spenden, erklären. Liegt keine Dokumentation vor, werden die Angehörigen gebeten, über eine Organspende zu entscheiden. Viele sind damit überfordert und lehnen eine Spende tendenziell ab.
In den meisten europäischen Ländern gilt die Widerspruchslösung. Das bedeutet: Wer einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht widersprochen hat, gilt als spendebereit. Vor drei Jahren war die Widerspruchslösung im Bundestag gescheitert. Kritiker sahen an dem Konzept einen Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht und hegten Zweifel an der Wirksamkeit.
Drei Bundesländer bringen Initiative für die Widerspruchslösung in den Bundesrat
Am Freitag brachten Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen als Reaktion auf die Entwicklung eine Initiative zur Einführung der Widerspruchslösung im Bundesrat ein. Ihnen geht es darum, erneut Diskussionen und Entscheidungsprozesse anzustoßen. Ziel ist es, dass der Bundestag die Widerspruchslösung ins Transplantationsgesetz aufnimmt. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Joseph Laumann sagte, man könne einem erwachsenen Menschen zumuten, beim Thema Organspende eine Entscheidung zu treffen. Jede Entscheidung sei integer – auch die gegen eine Organspende, betonte er. Deutschland sei im Verbund Eurotransplant ein "Nehmerland", müsse aber zu einem "Geberland" werden.
Laumanns Kollege aus Baden-Württemberg, Manfred Lucha, sagte, die bisherigen intensiven und langjährigen Unterstützungs- und Aufklärungskampagnen hätten in den letzten Jahren nicht gereicht, um eine höhere Zahl an Organspenden zu erreichen. Mehr als 80 Prozent der Deutschen stünden Organ- und Gewebespenden positiv gegenüber, allerdings hätten nur wenige diese Entscheidung auch durch einen Organspendeausweis festgehalten.
Krankenhäuser müssen unterstützt werden, damit sie Transplantationen durchführen können
Der hessische Sozialminister Kai Klose meinte, das für 2024 geplante Online-Organspenderegister werde nicht ausreichen, um die Zahl der Spender zu erhöhen. Das Krankenhauspersonal soll dort frühzeitig die Entscheidung von Patientinnen und Patienten eintragen. Allerdings läuft die Anbindung von Kliniken an das Register sehr schleppend. Klose hält es für dringend nötig, Krankenhäuser so zu unterstützen, dass sie Transplantationen überhaupt vornehmen können.
Die Diskussion ist geschlossen.
Deutschland muss hier dringend umdenken. Als betroffene Mutter eines dialysepflichtigen Sohnes erlebe ich und die ganze Familie, wie sehr dieser Zustand das Leben einschränkt. Den Menschen ist m.E. nicht klar, was es bedeutet, täglich nur 500 ml trinken zu dürfen, beim Essen Kalium und Phosphat zählen zu müssen und dazu eine Hand voll Tabletten einnehmen zu müssen, damit die Gefäße noch ein paar Jahre halten ohne komplett zu verkalken. An spontanes Verreisen, Wochenendtrips oder ähnliches ist nicht zu denken. Eine Dialyse ausfallen zu lassen, ist nur mit einer unaufhaltbaren Verschlechterung des Gesamtgesundheitszustands möglich und daher mit dem Überleben nicht zu vereinbaren. Die Patienten werden sich selbst überlassen, eine psychologische Betreuung gibt es schon lang nicht mehr. Und potentielle Lebendspender gehen durch eine Untersuchungsmühle, bis zu 1,5 Jahren, um dann in der Ethikkommission sich von einem sogenannten Juristen, der gottgleich entscheidet, zusammen mit 2 weiteren Personen aus den Bereichen Psychologie und Medizin, sagen lassen zu müssen, dass er die Verbindung nicht innig genug sähe und daher eine Lebenswende ablehnt. Auch ein sogenannten Fachmann hat hier keine Ahnung, was es heißt, Betroffener zu sein. Das ist die traurige Realität. Also : unbedingt eine neue Diskussion und endlich die Widerspruchsregelung in Deutschland.