Das 60-Milliarden-Euro-Projekt: Das sind Nahles' Rentenpläne
Die Rentenpläne der Großen Koalition sind so gut wie fertig. Billig werden sie nicht. Die Vorhaben im Überblick.
Es gibt Ministerien, deren Beamte es nach einem Regierungswechsel etwas ruhiger angehen lassen können – und es gibt das Ministerium für Arbeit und Soziales. Nach der christdemokratischen Powerfrau Ursula von der Leyen ist dort die frühere SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles eingezogen, die nun ebenfalls mächtig aufs Tempo drückt und ihr Ressort entsprechend fordert. Obwohl sie noch keine vier Wochen im Amt ist und sich obendrein mit einem schweren Husten herum plagt, hat die neue Ministerin die geplante Rentenreform schon so gut wie fertig. Bis zum Jahr 2020 wird sie Steuer- und Beitragszahler alles in allem 60 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Die wichtigsten Vorhaben im Überblick:
Mütterrente: 9,5 Millionen Frauen in Deutschland erhalten ab 1. Juli mehr Rente. Für jedes Kind, das vor 1992 zur Welt gekommen ist, rechnet der Staat den Müttern (und einigen wenigen Vätern) dann nicht nur ein Erziehungsjahr an, sondern zwei. Bei einer West-Rentnerin macht das pro Kind und Monat etwas mehr als 28 Euro aus, im Osten sind es knapp 26 Euro.
Da der bürokratische Aufwand für die Rentenkassen gewaltig ist, wird zum Stichtag 1. Juli aber vermutlich nur ein Teil der Renten bereits angehoben sein. In allen anderen Fällen zahlen die Rentenkassen die Erhöhung im Herbst oder Winter nach. Für das laufende Jahr veranschlagt die Ministerin in ihrem Entwurf Kosten von 3,3 Milliarden Euro, ab 2015 sind es 6,6 Milliarden jährlich und im Jahr 2030 noch 6,1 Milliarden.
Rente mit 63: Langjährig Versicherte sollen in Zukunft schon mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Voraussetzung: Sie kommen bis dahin auf mindestens 45 Versicherungsjahre und sind überdies 1952 oder früher geboren. Den bei den Koalitionsverhandlungen diskutierten Plan, dabei bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, hat Andrea Nahles inzwischen kassiert. Sie will für die 63er-Rente stattdessen alle Zeiten kürzerer Arbeitslosigkeit anerkennen sowie Phasen, in denen ein Versicherter Schlechtwetter-, Kurzarbeiter- oder Insolvenzgeld erhalten hat.
Der Bezug von Hartz IV oder der alten Arbeitslosenhilfe wird bei der abschlagsfreien Rente nicht angerechnet. Das heißt: Langzeitarbeitslose bleiben außen vor. Für Versicherte der Jahrgänge 1953 und später wird die Altersgrenze bis zum Jahr 2029 stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Geschätzte Kosten für das laufende Jahr: Rund 900 Millionen Euro. Bis 2030 wird diese Summe auf deutlich über drei Milliarden Euro steigen. Wichtig zu wissen: Anders als bei der höheren Mütterrente, von der auch die Frauen profitieren, die bereits im Ruhestand sind, gilt die neue 63er-Regelung nur für Beschäftigte, die am 1. Juli oder später in Rente gehen.
Erwerbsminderungsrente: Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten kann, darf ebenfalls auf eine höhere Rente hoffen. Bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente tut die Rentenkasse künftig so, als habe der Versicherte nicht bis zum 60., sondern bis zum 62. Lebensjahr ganz normal gearbeitet.
Erwerbsunfähigen, die in den letzten vier Jahren vor der Verrentung nur noch eingeschränkt gearbeitet haben, soll dadurch kein Nachteil entstehen: Gesundheitsbedingte „Zwangspausen“ dürfen sich in solchen Fällen nicht negativ auf die Rente auswirken. Im Schnitt macht das im Monat etwa 40 Euro mehr an Erwerbsminderungsrente aus. Die Kosten steigen von gegenwärtig 100 Millionen Euro auf etwa 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2030.
Steuern und Beiträge: Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Sozialministerin bereits verabredet, dass der Bundeszuschuss an die Rentenkassen vom Jahr 2019 stufenweise um bis zu zwei Milliarden Euro angehoben wird. Bis dahin müssen die Mehrausgaben aus den laufenden Einnahmen, den Rücklagen der Versicherer und dem Verzicht auf Beitragssenkungen finanziert werden.
Der Rentenbeitrag selbst soll bis zum Jahr 2018 stabil bei 18,9 Prozent bleiben, dann aber auf 19,7 Prozent steigen. An den bisherigen Beitragszielen will die Große Koalition festhalten. Danach soll der Rentenbeitrag zwei kritische Marken nicht überschreiten: 20 Prozent im Jahr 2020 und 22 Prozent im Jahr 2030.
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