Manchmal sind es kleine Gesten. Wenn Mohammed bei der Jobbewerbung schneller aussortiert wird als Matthias. Manchmal sind es offene Angriffe, wenn Frauen mit Kopftuch beschimpft werden. Doch deutet all das auf eine Feindlichkeit gegenüber Muslimen in Deutschland hin? Ja, sagt eine neuköpfige unabhängige Expertenkommission. Drei Jahre haben die Fachleute an ihrem gesellschaftlichen Lagebild gearbeitet. In Auftrag gegeben hatte es der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer.
Damals hatten rassistisch motivierte Anschläge in Hanau das Land aufgeschreckt. Die Bilanz des 400-seitigen Berichtes heute: Antimuslimischer Rassismus sei in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet und alltägliche Realität. So stimme laut Untersuchungen etwa jede beziehungsweise jeder Zweite muslimfeindlichen Aussagen zu – und das quer durch alle Bevölkerungsschichten und quer durch alle Altersgruppen.
Islam wird oft pauschal mit Gewalt, Extremismus und Rückständigkeit verknüpft
5,5 Millionen Musliminnen und Muslime leben in Deutschland, es ist die größte Minderheit des Landes. Und doch werden sie von der Gesellschaft als „die anderen“, „die Fremden* gesehen, als ein Teil der Bevölkerung, der eher am Rand als in der Mitte steht. Der Expertenkreis definiert Muslimfeindlichkeit deshalb auch als „die Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen. Dadurch wird bewusst oder unbewusst eine ,Fremdheit‘ oder sogar Feindlichkeit konstruiert“. Und das sei kein Randphänomen.
Der Islam werde von vielen Menschen pauschal mit Gewalt, Extremismus und Rückständigkeit verknüpft und dementsprechend werde Musliminnen und Muslimen eine Affinität zu Gewalt, Extremismus und patriarchalen Wertvorstellungen unterstellt. Besonders fromme Muslime würden kritisch betrachtet, das gehe so weit, dass selbst Einschränkungen der Religionsfreiheit – also eines Rechts, das im Grundgesetz verankert ist – befürwortet würde. „Diese Vorbehalte mögen aus Unkenntnis entstehen und zunächst Ausdruck von Skepsis sein, ohne dass sich daraus automatisch bewusste Feindseligkeiten ableiten lassen“, warnen die Studien-Autoren. „Sie bieten aber einen gefährlichen Nährboden und ein Einfallstor für antidemokratische Gruppierungen, die mit muslimfeindlichen Themen an die gesellschaftliche Mitte anknüpfen.“
Muslime werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert
Vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Wohnungsmarkt würden Betroffene immer wieder auf Diskriminierung stoßen. „Muslimische Mädchen gelten häufig als unterdrückte Opfer und Jungen als gewalttätig und frauenfeindlich“, schreiben die Experten. Studien deuteten auf eine hohe Anfälligkeit für muslimfeindliche Motive in der Polizei hin. Bei der Verfolgung muslimfeindlicher Straftaten durch die Polizei gebe es Lücken.
Sie empfehlen der Bundesregierung eine Strategie zur Förderung der Teilhabe von Menschen „mit muslimischen Identitätsbezügen“ in allen staatlichen Einrichtungen – mit bindenden Zielvorgaben, Öffentlichkeitsarbeit und gezielten Kampagnen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen wie Lehrerinnen, Erzieher oder Polizisten solle es Fortbildungen geben. In den Schulen müsse die Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit verpflichtend werden.
Muslimfeindlichkeit ist kein rein deutsches Phänomen
„Muslimisches Leben gehört selbstverständlich zu Deutschland“, betont Innenministerin Nancy Faeser. „Wir wollen, dass alle Menschen in unserer vielfältigen Gesellschaft die gleichen Chancen und Rechte haben.“ Umso bitterer seien die Befunde. Es sei wichtig, ein Bewusstsein für noch immer weit verbreitete Ressentiments zu schaffen.
Muslimfeindlichkeit ist nach Angaben der Autoren aber kein deutsches Phänomen. Auch in anderen westeuropäischen Ländern wie der Schweiz, Frankreich, Großbritannien oder Österreich würden Muslime auf massive Vorbehalte in der Gesellschaft stoßen. Allerdings sei das Misstrauen in Deutschland am stärksten ausgeprägt.