Zum Abschied singen die Obdachlosen
Ein Jahr hat Laura Kehlenbach in El Salvador verbracht, um sich dort in einer Einrichtung für die Ärmsten zu engagieren. Sie kochte, unterrichte und gründete einen Chor
„Zurück aus dem mittelamerikanischen Land freue ich mich nun auf das deutsche Vier-Jahreszeiten-Klima und die Sicherheit, ohne Bedenken in der Stadt oder in den Park gehen zu können.
Kakerlaken gehören der Vergangenheit an und ich kann wieder bedenkenlos Obst und Gemüse essen und das Leitungswasser trinken. In den letzten Tagen führte mir das Land mit einem Erdbeben, Unwetter samt Stromausfall und zehn internetlosen Tagen deutlich den Unterschied vor Augen. Trotzdem fiel mir der Abschied schwer, besonders der Abschied von den Bolos, wie die Obdachlosen hier genannt werden. An meinem letzten Arbeitstag sangen die Obdachlosen für uns. Das war rührend, da wir den Obdachlosen-Chor ins Leben gerufen hatten. Mit vielen Worten bedankten sich die Besucher der Esperanza für meine Zeit, meine Geduld und den Unterricht. Dabei habe ich ebendiese Dinge in vielfältiger Form von ihnen erhalten.
Die Obdachlosen, die ich kennenlernen durfte, sind herzensgute und bedürftige Menschen, die unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung mehr als verdient haben. Am Anfang war ich noch froh, in der Küche Tortillas machen zu können, doch schon bald war ich für die Obdachlosen ein wichtiger Ansprechpartner und Zuhörer.
Ich spielte mit den Obdachlosen, gab Deutsch- und Englischunterricht und versuchte, sie in die Aktivitäten der Einrichtung einzubinden – alles Dinge, für die Trini, die Chefin der Obdachlosenanlaufstelle, keine Zeit hat.
Aufgrund der angespannten Lage in dem mittelamerikanischen Land werden aber vorerst keine deutschen Freiwilligen mehr in die Esperanza entsendet. Deshalb bin ich sehr froh, dass Ceci, eine ehemalige Besucherin und jetzige Mitarbeiterin der Einrichtung, den Chor weiterführen will.
Ein allgegenwärtiges Problem in San Salvador sind die Maras, die kriminellen Banden. Wir hatten mit einem ehemaligen Marero (Mitglied einer Bande) zu tun, der aber von heute auf morgen eine enorme Wandlung durchmachte, arbeitet, keinen Alkohol mehr trinkt und sich nun um seine Familie kümmert.
Jeder Mensch in der Casa hat seine eigene Geschichte und war immer für eine Überraschung gut, wie das ganze Land. Es macht mich traurig, wenn ich daran denke, was man hier noch alles machen könnte. Aber vielleicht bessert sich die Situation in dem Land bald und andere freiwillige Helfer werden entsendet, um Trini zu unterstützen. Rückblickend kann ich sagen: Deutschland ist meine Heimat durch Geburt – El Salvador habe ich mir zur Heimat gemacht.“ (SZ)
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