So fühlen sich die Jungen wie Oma am Krückstock
Aktionstag macht auf die Anliegen der Senioren aufmerksam. In Graben gibt es viele Anregungen
Halbzeit beim Inklusions- und Sozialraumprojekt „Wir daheim in Graben!“. Das bayernweit einmalige Modellprojekt des Caritasverbands für die Diözese Augsburg, das in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Graben durchgeführt wird, startete im April 2013 und läuft noch bis zum 31. März 2016. „Das, was in Graben an Ideen, Engagement, Vernetzungen und Kooperationen entwickelt und umgesetzt wird, soll anderen Gemeinden als Beispiel und Erfahrungsgrundlage dienen“, sagt Vera Lachenmaier vom begleitenden Büro Inklusives Graben.
Unter dem Motto „Generationengerechtes Wohnen“ ging im Kulturzentrum eine weitere Veranstaltung der Projektthemengruppen mit Informationen zum barrierefreien (Um-)Bauen des privaten Wohnumfeldes über die Bühne. Neben Fachvorträgen, Infoständen und einer Wanderausstellung der Bayerischen Architektenkammer standen auch Rollstuhlparcours auf dem Programm. In der Bücherei fand gleichzeitig der beliebte „Bücherei-Sonntag“ statt. Hauptredner der Veranstaltung war Hans-Jürgen Harmgardt, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Wohnraumberatung des Landkreises Augsburg. „Die Beratung ist kostenlos“, sagt Lachenmaier. „Und die Berater kommen auf Wunsch gerne auch ins Haus.“ Eines der Projektziele ist es, Wege und Möglichkeiten zu erarbeiten, damit Menschen mit Unterstützungsbedarf – etwa wegen Alter, Krankheit oder Behinderung – möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben und auch am Gemeindegeschehen teilhaben können. „Barrierefreiheit spielt dabei eine wichtige Rolle“, sagt Vera Lachenmaier. 95 Prozent der über 65-jährigen wollen weiterhin zuhause wohnen bleiben. „Wir wollen dafür sensibilisieren, dass man schon in jungen Jahren klug für später bauen und somit manchmal auch mit ganz einfachen Mitteln fürs Alter vorsorgen kann.“ So sollen beispielsweise Wohn- und Schlafraum, Küche, Bad oder Dusche auf einer Ebene angeordnet werden, damit die Wohnung auch im Alter problemlos genutzt werden kann.
Mit einem Alterssimulationsanzug konnten sich die Besucher in die Haut eines älteren Menschen versetzten lassen. „Damit wird man praktisch ohne Vorwarnung in die Zukunft gebeamt“, sagt Lachenmaier. „Der Anzug simuliert die typischen Einschränkungen älterer Menschen.“ Man sieht nicht mehr so gut, ist meist schwerhörig, die Gelenke sind steif, Gehen und Greifen erfordern viel Kraft. „Ich fühlte mich total unsicher“, berichtet ein freiwilliger Proband. „Das Treppensteigen war mit viel Schweiß und Kraft verbunden, die Tür konnte ich ohne fremde Hilfe gar nicht öffnen“, berichtet ein anderer.
Gefühlt 20 Jahre älter wurden die beiden danach in den Rollstuhl gesetzt, um öffentliche Räumlichkeiten auf Barrierefreiheit zu testen. „Vieles kann nur mit Hilfe bewältigt werden“, so ihr Fazit. Sie seien jetzt „auf jeden Fall viel sensibel für die Anliegen der Senioren“.
Bei dem Aktionstag wurden mit einem Fragebogen auch Erfahrungen gesammelt. „Die Fragebögen werden jetzt ausgewertet und in das Gesamtkonzept mit einarbeitet“, sagt Lachenmaier. Vor kurzem ist auch ein Sozialbeirat ins Leben gerufen werden, der nicht zuletzt die Bürger ermutigen will, „manche Anliegen auch selbst in die Hand zu nehmen“, so Lachenmaier. Demnächst ist eine Ortsbesichtigung vorgesehen, um zu erkunden, wie barrierefrei Graben ist und wo noch Handlungsbedarf entsteht.
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