Diese Lehre ist ideal für Mütter
Svetlana Bekker hat zwei Kinder und macht gleichzeitig eine Ausbildung. Sie erzählt, wie das funktioniert.
Wenn man so will, hat Svetlana Bekker gleich zwei Hindernisse bei ihrer Ausbildung. Sie heißen Laura und Maria und sind acht und elf Jahre alt. Denn natürlich kosten ihre beiden Töchter viel Zeit. Aber die 34-Jährige bringt Familienleben und Ausbildung erfolgreich unter einen Hut.
Das gelingt ihr unter anderem, weil sie ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau in Augsburg in Teilzeit absolviert. 30 Stunden in der Woche sind dafür eingeplant. Obwohl die natürlich nicht ausreichen. Denn Bekker muss in ihrer Freizeit noch für die Berufsschule büffeln. „Entweder, ich lerne abends. Oder aber morgens um vier oder fünf Uhr noch vor der Arbeit“, sagt sie.
Trotz Studiums der Wunsch nach einer Berufsausbildung
Die gebürtige Russin kam 2003 zusammen mit ihrem Mann nach Deutschland. Ein Jahr darauf wurde ihre erste Tochter geboren. Drei Jahre später die zweite. So widmete sich Bekker zunächst einige Jahre der Kindererziehung. Und obwohl sie in Russland ein Studium im Bereich Werbung und Marketing absolviert hatte, trug sie die ganze Zeit über den Gedanken im Kopf: Ich will noch eine Berufsausbildung machen.
Seit August des vergangenen Jahres durchläuft sie diese nun bei Koffer-Kopf, einem Fachgeschäft für Lederwaren. Ihre Ausbildungszeit konnte sie von drei auf eineinhalb Jahre verkürzen, weil sie Abitur hat. Was auf der einen Seite gut ist, weil Bekker so früher mehr Geld verdienen wird, hat auf der anderen Seite einen Haken: Die 34-Jährige muss das, was ihre Mitschüler in drei Jahren in der Berufsschule lernen, innerhalb von eineinhalb Jahren draufhaben.
Freiwillig besucht die zierliche Frau noch die Berufsschule
Und: Sie muss es sich teilweise alleine aneignen. „Das ist aber zu schwer für mich“, gibt Bekker offen zu. „Es gibt so viele Fachbegriffe. Und es ist nicht meine Muttersprache, deshalb kann ich mich nicht so gut ausdrücken wie die anderen.“ Die Lösung: Freiwillig besucht die zierliche Frau noch an einem weiteren Tag, quasi in ihrer Freizeit, die Berufsschule. So kann sie den Stoff der Klasse, die bereits ein Jahr weiter ist, ebenfalls mithilfe eines Lehrers lernen. „Das kann ich aber nur machen, weil ich 30 Stunden arbeite. Mit 40 Stunden pro Woche wäre das unmöglich.“
Die 34-Jährige steht in der kleinen Filiale von Koffer-Kopf am Ernst-Reuter-Platz in Augsburg. Für Taschen-Fans muss das hier das Paradies sein: Auf der linken Seite des Raumes ein Regal mit Handtaschen, sauber aufgereiht und nach Farben sortiert. Im Regal an der rechten Wand finden sich schlichte Aktentaschen und bunte Schulranzen.
Auch ihr Mann kümmert sich am Nachmittag um die Kinder
Heute hat Bekker um 14 Uhr frei. „Das ist für Mütter ideal“, sagt sie. An solchen Tagen könne sie ihre jüngere Tochter von der Schule abholen. Sonst kümmert sich ihr Mann am Nachmittag um die Kinder. Und auch ihre Tante, die ebenfalls in Augsburg wohnt, passt oft auf die Kinder auf. Durch sie können die Eltern auch dann arbeiten gehen, wenn eines der Mädchen krank ist. „Sie ist wie eine Oma für die Kinder“, sagt Bekker. „Sie nennen sie sogar so.“
So kann sich die Augsburgerin verwirklichen. „Ich konnte nicht weiter zu Hause bleiben. Wie sollte ich mich da weiterentwickeln?“ Bekker will nicht auf der Stelle stehen bleiben. Deshalb macht sie nach der Ausbildung vielleicht noch ihren Fachwirt. Außerdem hat das Lernen für sie noch mehr Positives: „Wenn meine Kinder sehen, dass ich lese und lerne, dann machen sie das nach.“
Bei der Beratung ist es manchmal nützlich, Kinder zu haben
Eine Ausbildung empfiehlt sie jeder Mutter. „Als finanzielle Unterstützung kann man Berufsausbildungsbeihilfe beantragen“, rät sie. Die Arbeit macht Bekker Spaß. Sie mag es, wenn sie den Kunden helfen kann. „Das macht mich glücklich.“ Bei der Beratung sei es manchmal nützlich, dass sie Kinder hat. „Wenn jemand einen Schulranzen sucht zum Beispiel“, sagt Bekker. Dann erzählt sie aus ihrer Erfahrung und von ihren Töchtern und schafft so gleich eine Verbindung.
Hürden sind dazu da, überwunden zu werden. Das gilt gerade auch beim Berufseinstieg. Mit der Lehrstellenoffensive unserer Zeitung wollen wir junge Menschen auf dem Weg in den Beruf unterstützen. Es ist eine gemeinsame Aktion mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, der Handwerkskammer für Schwaben sowie den Arbeitsagenturen der Region. Alle Informationen zur Lehrstellenoffensive 2015 gibt es unter www.leo-bayern.de.
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