Des Ingenieurs erste Krise: Domenico Tedesco fehlen die Siege
Im vergangenen Jahr spielte das Team nicht schön, aber erfolgreich. Nun bleiben die Siege aus und für Trainer Domenico Tedesco stellt sich die Systemfrage.
Die Reihe von Kuriositäten und Geschichten im Aufeinandertreffen vom FC Schalke 04 und Bayern München ist lang. Wenn am Samstag (18.30 Uhr/Sky) der amtierende Titelträger in die Gelsenkirchener Arena kommt, geht es aber nicht um Kurioses, sondern um Handfestes.
Schalke, Vizemeister der vergangenen Saison, steht im 1700. Bundesligaspiel vor einem ganzen Berg von Problemen: Drei Niederlagen zum Auftakt (gegen Wolfsburg, Hertha und Gladbach) – da werden Erinnerungen an die fünf Auftaktschlappen unter Trainer Markus Weinzierl in der Saison 2016/17 wach. Trainer Domenico Tedesco, der Ingenieur unter den Bundesliga-Trainern, muss sich nun als Krisenmanager beweisen. Und er sollte an seinem System feilen können, sonst wird das wieder nichts gegen die Bayern. In bislang 55 Spielen gewannen die Bayern auf Schalke 22 Mal (20 Unentschieden). Die spielerischen Unzulänglichkeiten waren in den ersten Spielen unübersehbar, nun kommt noch das Nervenflattern hinzu – gegen Hertha und auch gegen Gladbach war die mentale Schwäche offensichtlich, die defensive Statik wirkte fragil. Angriffsversuche verkümmerten allzu oft.
Liefert Tedesco gegen Bayern?
In der vergangenen Spielzeit waren die Schalker ja schon der Kritik ausgesetzt, im Offensivspiel wenig Einfallsreiches bieten zu können. Da überdeckte allerdings die Freude über die Vizemeisterschaft alle Unzulänglichkeiten. Tedesco ist gezwungen, seine Systemfrage zu beantworten, der (guten) Theorie nun auch Praxis folgen zu lassen und seine Spieler in die Spur zu bringen: „Die Mannschaft, die mehr Ballbesitz hat, ist nicht automatisch die, die mehr Druck ausübt“, hatte der Coach mehr als einmal philosophiert. „Sie hat auch mehr Risiko, Konter zu fressen.“ Tedescos einfaches Rezept: „Das, was wir können, werden wir weiterhin stärken. Und das, was wir nicht können, werden wir in Zukunft lassen“, hatte er nach dem Spiel gegen Hertha gesagt – und anschließend gegen Gladbach 1:2 verloren. Nun ist mit dem FC Bayern ein Team zu Gast, dem dieses Ansinnen gut in die Karten spielen könnte. Die Münchner sind bekanntlich auf viel Ballbesitz aus.
Für Bayern-Keeper Manuel Neuer, der im November 2006 als Jung-Schalker eben gegen die Bayern sein erstes Bundesliga-Gegentor (Andreas Ottl zum 1:2, Endstand 2:2) kassierte, und für Leon Goretzka, der zu Saisonbeginn nach fünf Schalker Jahren zum Meister wechselte, ist die Begegnung (natürlich) eine besondere.
Goretzka kehrt mit Bayern zurück nach Schalke
Auf die Reaktion der Fans in der ausverkauften Arena darf man da nicht gespannt sein: „Je mehr Hass man bekommt, desto mehr weiß man auch, wie sehr man geliebt wird“, sagte Neuer vor dem Spiel. Goretzka dürfte da einstimmen, auch wenn er sein Herz noch nicht vollends verloren hat: „Auf Schalke geht es schnell in beide Extreme. So schnell man in einen Negativtrend reinrutscht, so schnell kann man sich auch wieder rauskämpfen.“
Das wäre ganz nach dem Geschmack von Tedesco. Der könnte Anleihen an einen legendären Spieler und einen seiner Vorgänger nehmen: Verteidiger Helmut Kremers hatte vor dem 2:0-Sieg der Knappen 1974 gegen die Bayern getönt: „Wenn wir einen Punkt holen, trinke ich mir einen an.“ Und der damalige Trainer Ivica Horvat ließ, wie im aktuellen Schalker Kreisel nachzulesen ist, „seine Jungs tatsächlich von der Leine“. Ja, er soll sogar den Griff zum Bier angeordnet haben. Nur eine weitere Kuriosität im Kräftemessen der beiden Traditionsklubs.
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