Ein Duell voller Dramen und Demütigungen
Unvergessliche Elfmeterkrimis, tragische Helden und das bekannteste Tor der Fußball-Geschichte: In den letzten 99 Jahren war der Länderspiel-Klassiker zwischen Deutschland und England ein Garant für Dramen.
London (dpa) - Unvergessliche Elfmeterkrimis, tragische Helden und das bekannteste Tor der Fußball-Geschichte: In 99 Jahren hat der Länderspiel-Klassiker zwischen Deutschland und England für viele Dramen gesorgt - und für Demütigungen in beiden Lagern.
Das Duell elektrisiert - besonders im Londoner Wembley-Stadion - nicht nur die Fans. Auch die Größen von einst geraten immer wieder ins Schwärmen. "Das Spiel hat einfach immer einen besonderen Reiz. Das Erlebnis Wembley ist einmalig", erzählt Uwe Seeler mit einem Strahlen im Gesicht, obwohl für ihn sowohl das WM-Finale von 1966 als auch sein Debüt in einer DFB-Startelf im Herbst 1954 dort verloren gingen.
Bei der Premiere des Giganten-Gipfels im neuen Wembley-Stadion haben die Engländer am Mittwoch noch eine Rechnung offen. Die Niederlage beim Abschied aus der alten Arena am 7. Oktober 2000 durch ein Tor von Dietmar Hamann ist noch nicht verwunden. "Es tut ihnen weh", sagt der heute bei Manchester City spielende Hamann. Daran änderte auch der 5:1-Triumph ein Jahr später in München nichts, der wiederum auf deutscher Seite schmerzhafte Erinnerungen weckt.
Der sonst eher grantelige Paul Breitner erinnert sich hingegen gerne an seinen größten Auftritt in Wembley: "Zu diesem 3:1-Sieg konnte es keine Steigerung mehr geben. Das war die beste deutsche Mannschaft aller Zeiten", berichtet er vom ersten Erfolg einer deutschen Nationalmannschaft in England am 29. April 1972. Fünf Mal zuvor hatten die deutschen Kicker vergeblich versucht, Englands heiligen Fußball-Rasen als Sieger zu verlassen.
Spätestens im WM-Finale 1966 (4:2 für England) mit dem legendären 3:2 von Geoff Hurst - dem mittlerweile mythenhaften Wembley-Tor - wurde der Grundstein für eine einmalige Fußball-Rivalität gelegt. In der Gesamtbilanz liegt England mit 14:11 Siegen bei 4 Unentschieden vorne, doch daheim gelang den "Three Lions" gegen Deutschland der letzte Sieg vor 28 Jahren.
"Two World Wars and One World Cup" ("Zwei Weltkriege und einen WM- Titel") skandieren die englischen Fans martialisch. Angeheizt durch die Boulevardpresse werden die Partien zu nationalen Angelegenheiten erklärt. Entsprechend tief sitzt der Stachel bei den Anhängern von der Insel, dass der Titelgewinn von 1966 der einzige maßgebliche Erfolg in einem Pflichtspiel geblieben ist. Bei der WM 1970 mit Seelers Tor per Hinterkopf, EM 1972, WM 1982, WM 1990 und der EM 1996 standen die Deutschen den Engländern im Weg. Bei der EM 2000 siegte England zwar mit 1:0, schied aber wie das DFB-Team in der Vorrunde aus.
Erst am 1. Juni 1968 war Deutschland mit einem 1:0 in Hannover der erste Sieg gegen England überhaupt gelungen - im immerhin schon 13. Spiel. Der_historische Siegtreffer gelang - Ehre, wem Ehre gebührt: Franz Beckenbauer. Der Weg dorthin war von vielen Niederlagen gezeichnet, inklusive des 0:9 von Oxford 1909, der bis heute höchsten deutschen Länderspielniederlage. Gleich zum Auftakt hatte es am 20. April 1908 eine 1:5-Klatsche gegeben - wie 93 Jahre später beim bislang letzten Länderspiel im Münchner Olympiastadion.
Geradezu traumatisiert sind die Engländer von ihrem Elfmeterpech - manche sagen auch Elfmeterunvermögen. "Im Prinzip kann jede Mannschaft jede andere im Elfmeterschießen schlagen, es sei denn, England spielt gegen Deutschland", sagte Gary Lineker, der auch den Spruch prägte: "Im Fußball spielen 22 Männer gegeneinander, und am Ende gewinnt immer Deutschland." Lineker selbst spielte vier Mal gegen Deutschland und gewann nur 1985 in Mexiko City (3:0).
1990 im WM-Halbfinale von Turin hießen die englischen Pechvögel beim Nervenspiel vom Elfmeterpunkt Stuart Pearce und Chris Waddle. In Erinnerung in England sind aus diesem Spiel aber vor allem die Tränen des Paul Gascoigne, der wegen einer Gelben Karte selbst bei einem Sieg das WM-Finale verpasst hätte. Sechs Jahre später wurde Gareth Southgate im Elferdrama zum großen Verlierer, als er im EM-Halbfinale - ausgerechnet im Heiligtum Wembley - am deutschen Torwart Andy Köpke scheiterte. Trotz seines legendären Golden Goal im folgenden Finale gegen Tschechien ist für Oliver Bierhoff die Erinnerung an das gewonnene Halbfinale gegen England prägender. "Diese Stimmung ist einfach kaum zu übertreffen", sagte er.
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