Ultras verursachen Krawalle beim italienischen Pokalfinale
Im italienischen Fußball ordnen gewaltbereite Fans die ganze Branche ihrem Willen unter. Bestehende Gesetze werden nur wenig angewendet.
Es war nicht etwa die dritte Meisterschaft in Folge für Juventus Turin, die am Montag für Gesprächsstoff in den italienischen Bars sorgte. Es war vor allem ein Bild, das Millionen Zuschauer am Wochenende live im Fernsehen verfolgen konnten: wie sich Marek Hamsik, der Kapitän des SSC Neapel vor dem Pokalfinale von mehreren Sicherheitskräften eskortiert zur Fankurve begab und dort mit einem Ultra-Anführer verhandelte. Gennaro De Tommaso, alias „Genny a’ Carogna“ („Genny das Aas“), Sohn eines verurteilten Camorra-Bosses aus Neapel, gab dann das Zeichen, dass gespielt werden könnte.
Kurz darauf pfiff der Schiedsrichter an. Es blieb der Eindruck, der italienische Fußball, der Staat, ja ganz Italien hätten sich wieder einmal Gewalt, Illegalität und Indifferenz untergeordnet.
Über die Gewalt bei Fußballspielen wundert sich in Italien niemand mehr
Die Szene hatte sich bereits am Samstagabend kurz vor dem Pokalfinale zwischen dem AC Florenz und dem SSC Neapel im Olympiastadion von Rom ereignet. Wegen Ausschreitungen vor dem Stadion war kurzzeitig auch ein Spielabbruch im Raum gestanden. Noch als Hamsik verhandelte, wurde unweit ein Feuerwehrmann von Kollegen davongeschleppt, weil er von einem aus der Neapel-Kurve abgefeuerten Feuerwerkskörper getroffen worden war.
Die Episode war nur die Spitze einer Spirale von Gewalt, über die nun wieder einmal in Italien debattiert wird, über die sich kaum noch jemand im Land wundert. „Wir Italiener müssen offenbar auf Grund gehen, damit sich etwas ändert“, sagte Nationaltrainer Cesare Prandelli am Montag. „Dieses Land muss endlich ziviler werden.“
Ausschreitungen und Schießerei vor dem Spiel
Wieder einmal hatte der Fußball Bilder eines städtischen Guerilla-Kriegs geboten. Stunden vor dem Pokalfinale, das letztendlich der SSC Neapel mit 3:1 (2:1) für sich entschied, war es in der Nähe des Olympiastadions zu Ausschreitungen und einer Schießerei gekommen.
Ein 48 Jahre alter Ultra des AS Rom, dessen Mannschaft im Finale nicht beteiligt war, dessen Anhänger aber seit Jahren mit Fans aus Neapel rivalisieren, hatte drei Napoli-Ultras mit Schüssen aus einer Pistole verletzt. Der 29 Jahre alte Ciro E. überlebte dabei nur knapp, eine Notoperation verlief erfolgreich. Die Polizei vermutet, auch er sei bei den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen und nahm ihn im Krankenhaus vorläufig fest.
Gegen den Schützen, er liegt ebenfalls schwer verletzt im Krankenhaus, wird wegen versuchten Totschlags ermittelt. Der Roma-Anhänger ist in der Szene bekannt, er war 2004 am Abbruch des römischen Stadtderbys beteiligt, als Ultras in einer einzigartigen Demonstration ihrer Macht die Spielabsage bewirkten.
Kriminelle geben in der Serie A den Ton an
Wieder einmal wird nun debattiert, wie man mit neuen Maßnahmen Herr über die Gewalt im Zusammenhang mit Fußball werden könnte. Seit Jahren müssen sich Fans, die ihre Teams bei Auswärtsspielen begleiten, mit einem „Fanausweis“ registrieren lassen.
Eingangskontrollen wurden offiziell verschärft, dennoch werden regelmäßig Feuerwerkskörper und Rauchbomben in die Kurven geschmuggelt. Die Behörden wirken hilflos. Innenminister Angelino Alfano schlug vor, lebenslange Stadionverbote für Gewalttäter einzuführen und versicherte: „Der Staat hat nicht kapituliert.“
Doch der Eindruck, dass bestehende Gesetze nicht entschieden genug angewendet werden und vielerorts Kriminelle in der Serie A den Ton angeben, drängt sich auf. „Es ist peinlich, dass immer wieder etwas in den Stadien passiert“, sagte Giovanni Malagò, Vorsitzender des italienischen Nationalen Olympischen Komitees. „Das bedeutet, dass zu wenig getan wird oder das, was getan wird, schlecht ist.“
Die Macht der Ultras ist ungebrochen
Trotz vieler Restriktionen wirkt die Macht der Ultras im italienischen Fußball ungebrochen. Viele Ultra-Anführer stehen mit Ultrarechten und der organisierten Kriminalität in Verbindung. Regelmäßig demonstrieren sie ihren Einfluss, auch auf die Teams.
Vor zwei Jahren etwa forderten Anhänger des Erstligisten CFC Genua die Spieler ihrer Mannschaft auf, wegen schlechter Leistungen ihre Trikots auszuziehen und vor der Kurve niederzulegen. Wie selbstverständlich gehorchten die Spieler damals dem Befehl.
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