Träsch-Aus stürzt Löw in Not - "Genug gestraft"
Eppan (dpa) - Die Bayern-Vorhut ist da - für den möglichen Ballack-Ersatz Christian Träsch ist die WM dagegen schon gelaufen. Der 22-jährige Stuttgarter verließ an Krücken das Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Südtirol.
Eine schwere Kapsel- und Bandverletzung am rechten Fuß beendete seinen Traum von Südafrika und stürzte Bundestrainer Joachim Löw in noch größere Personalnöte. "Damit sind wir genug gestraft", bemerkte Löws Assistent Hansi Flick angesichts der unheimlichen Verletzungsserie. Nach Kapitän Michael Ballack, Torwart René Adler und Mittelfeldmann Simon Rolfes verlor Löw 17 Tage vor dem WM-Start bereits seinen vierten Mann.
Träsch war ursprünglich nur eine Ergänzungskraft im vorläufigen WM-Kader gewesen. Jetzt bringt die Blessur eines Turnier-Neulings urplötzlich das große Ganze ins Wanken. Wie schon nach dem bitteren und noch viel schwerer wiegenden Ballack-Aus reagierte man innerhalb des DFB-Teams mit Trotz. "Wir fahren nicht zur WM, um nur ein paar Spiele zu machen", versprach der Bremer Mesut Özil. "Die nächste EM und die nächste WM werden kommen. Ich werde daran arbeiten, dass ich da dabei bin", erklärte Träsch beim Abschied aus Eppan kämpferisch. Bei der WM will er dem Team nun "die Daumen drücken".
Der Bundestrainer verzichtete wie schon nach dem Ballack-Schock auf eine Nachnominierung, obwohl das defensive Mittelfeld endgültig zum Notstandsgebiet geworden ist. Auch Flick räumte ein, dass man in diesem Mannschaftsteil nun "ein bisschen dünn" aufgestellt sei. Aber man verfüge immer noch über "mehrere Optionen". Namentlich nannte er die Abwehrspieler Heiko Westermann (Schalke) und Dennis Aogo (HSV), die in ihren Vereinen schon im defensiven Mittelfeld gespielt hätten.
Sogar der in der Außenverteidigung eigentlich unersetzliche Alleskönner Philipp Lahm könnte noch zu einer Alternative werden, ebenso ein System-Wechsel mit nur einem "Sechser" vor der Abwehr. "Wir sind als Trainerteam für Gedanken-Strategien bekannt", sagte Flick und versicherte: "Wir haben einen Plan."
Löw & Co. redeten sich direkt nach dem Ausfall von Träsch, der wenige Stunden nach dem 4:0-Testspielsieg der DFB-Auswahl gegen den FC Südtirol festgestandenen hatte, aber mit Rücksicht auf den Spieler erst am Tag danach offiziell verkündet wurde, im Teamhotel die Köpfe heiß. Die Trainer gingen die Kaderliste, die noch 25 Namen umfasst und aus der bis zum Meldeschluss am 1. Juni nur noch zwei Akteure gestrichen werden müssen, nochmals Spieler für Spieler durch. Und plötzlich steht wegen des Engpasses im Mittelfeld womöglich sogar einer der sechs Stürmer zur Disposition, die fest eingeplant waren.
"Wir werden alles genau analysieren und am 1. Juni den Kader fixieren, der für uns den größtmöglichen Erfolg verspricht", antwortete Flick ausweichend auf die Frage, ob die Angreifer Miroslav Klose, Mario Gomez, Thomas Müller, Cacau, Lukas Podolski und Stefan Kießling auf jeden Fall nach Südafrika fahren. Am meisten gefährdet erscheinen der auch gegen den FC Südtirol wieder nicht treffende Leverkusener Kießling oder der verunsicherte Gomez.
Gomez stieß gemeinsam mit seinen Bayern-Kollegen Klose, Müller und Holger Badstuber zum WM-Kader. Während die übrigen Akteure nach einer kraftraubenden Mountainbike-Tour, "bei der die Oberschenkel manchmal heftig brannten" (Flick), einen freien Nachmittag genossen, startete ihr individuelles WM-Aufbauprogramm.
"Wir wissen, jeder Tag ist wichtig", sagte Löw mit speziellem Blick auf die Stürmer Klose und Gomez. Am 26. Mai werden die Führungsspieler Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger sowie Torwart Jörg Butt den WM-Kader komplettieren. Ihnen will Löw nach einer strapaziösen Saison noch etwas Ruhe gönnen. "Gleich wieder hundert Prozent geht nicht", sagte der designierte Kapitän Lahm.
Träsch hatte seine Verletzung im 60-minütigen Testspiel gegen den FC Südtirol beim übermotivierten Versuch erlitten, einen Ball noch vor dem Überschreiten der Seitenlinie erreichen zu wollen. Er knickte um - und vorbei war's: Zwei Wochen Pause und vier Wochen Reha statt WM. "Ich wollte den Ball stoppen, bin von nassem auf trockenen Rasen gekommen, der Fuß ist stehengeblieben und umgeknickt", schilderte der Stuttgarter das Missgeschick.
Große sportliche Erkenntnisse aus dem Trainingsspiel gegen den Drittliga-Aufsteiger FC Südtirol konnte Löw nicht ziehen. Das 4:0 nach Toren von Piotr Trochowski, Özil, Cacau und einem Eigentreffer des Gegners sei "in Ordnung" gewesen, bemerkte Flick - mit einer Ausnahme, die auch schon bei 3:0 gegen Malta beklagenswert gewesen war: "Bei der Chancenverwertung müssen wir uns erheblich verbessern."
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