Michael Ballack: Das Heulen des Leitwolfes
Der Abschied von Michael Ballack aus der Nationalmannschaft wird zum Rosenkrieg. Mitleid hat Ballack aber nicht verdient.
Scheiden tut weh. Besonders dann, wenn einer noch gerne geblieben wäre. Solche Trennungen gehen häufig zulasten der Inneneinrichtung, des Geschirrs und des Bankkontos. In jedem Fall begleiten sie Schmerz, Tränen und Verzweiflung.
So gesehen hat es Fußball- und Beziehungsexperten mit Misstrauen erfüllt, dass die Scheidung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von ihrem Kapitän Michael Ballack so geschmeidig über die Bühne gegangen sein soll, wie es der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zunächst dargestellt hatte. Ein paar einvernehmliche Gespräche – und tschüss. Keine Schmutzwäsche, kein Rosenkrieg.
Bleibt der emotionale Müll aber erst einmal ein paar Tage liegen, fängt er an zu gären. Die Wahrheit bahnt sich dann unaufhaltsam ihren Weg – erst recht, wenn die Beziehung schon lange zerrüttet war.
Michael Ballack, die Nationalmannschaft und ihre Bosse – ein Ensemble, das seine Erträge aus Reibung erzielte, weniger aus Harmonie. Ballack war der Leitwolf, der diese Position entschlossen beanspruchte.
Klare Hierarchien mögen im Wettbewerb den Erfolg fördern, auf sozialen Feldern aber sind sie bedeutungslos.
Mehr Kritiker im Team als einem Kapitän zuträglich sind
Als Spieler war Michel Ballack über jeden Zweifel erhaben – einer der besten Mittelfeldakteure der Welt. Als Sozialwesen aber hatte er in der deutschen Mannschaft mehr Kritiker als einem Kapitän zuträglich sind. Der Streit mit Philipp Lahm um die Kapitänsbinde, das zerstörte Verhältnis mit Manager Oliver Bierhoff, die Reibereien mit Joachim Löw. Ballack war Leitwolf, aber gerade deshalb kein Teil des Ganzen.
Dass die Scheidung von der Nationalelf nicht mehr zu verhindern war, hat er wohl eingesehen. Seine Karriere ist auf dem Sinkflug. Löws Entscheidung war richtig. Ballack aber wollte die Trennung zu seinen Bedingungen. Wann, wo und in welchem Rahmen hätte das Alphatier gerne selbst bestimmt. Tatsächlich gilt: Wenn denn ein deutscher Spieler der vergangenen Jahre einen außergewöhnlichen Abgang verdient hat – dann Michael Ballack.
Nur ist es so, dass der Profifußball eine Leistungsgesellschaft in Reinform ist, in der nicht die Dauer der Betriebszugehörigkeit zählt. Alte und Leistungsschwache müssen gehen. Zum Abschied gibt es Blumen. Profis, die das ungerecht finden, sollten einen Blick auf ihr Bankkonto werfen oder beizeiten den Beruf wechseln.
Löw hat dem verdienten Capitano mit dem Spiel gegen den fünfmaligen Weltmeister Brasilien eine passende Brücke gebaut, über die er die Nationalelf angemessen hätte verlassen können. Stattdessen heult der beleidigte Leitwolf.
Von uns gibt es dafür keine Träne.
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