Schutzkleidung oder Krankenhauspersonal? Für den US-Präsidenten ist in der Corona-Krise etwas anderes "systemrelevant".
Schockierende Bilder sind das, die die Krankenhäuser in New York dieser Tage produzieren. Tausende Menschen sterben wegen des Coronavirus; Krankenhäuser sind überlastet; in Kühllastern werden Leichen aufbewahrt, weil Bestattungsunternehmen am Anschlag arbeiten und ihnen keine Gräber mehr zur Verfügung stehen. Zum Glück werden die USA in diesen apokalyptischen Zeiten von einem besonnenen Präsidenten regiert, der in der Krise umsichtig agiert, stets den richtigen Ton trifft und ein Gespür für Ängste, Sorgen und Nöte seiner Bevölkerung hat.
Denn was braucht eine Krankenschwester, die tagtäglich in unzureichender Schutzkleidung ihren Dienst antritt, und die ihr eigenes Leben riskiert, um ein anderes zu retten? Genau: Wrestling. Falls Sie nicht glauben, was Sie gelesen haben. Nochmals in Großbuchstaben: W R E S T L I N G.
Einst begleitete Musik den Untergang der Titanic, jetzt wird gewrestelt
Das Land steht vor dem Kollaps, aber immerhin dürfen die Amerikaner mit Anabolika und Steroiden vollgepumpten Protzproleten dabei zusehen, wie sie sich vermeintlich auf die Nase hauen. Als Geisterkampf im Fernsehen, versteht sich. Einst begleitete Musik den Untergang der Titanic, jetzt wird gewrestelt. Präsident Trump hat diese Showveranstaltungen in Zeiten des Virus tatsächlich als „systemrelevant“ eingestuft. Motto: Andere US-Profiligen pausieren, Wrestling-Show must go on. In der Pandemie sind also nicht nur Feuerwehrleute, Polizisten oder Mediziner entscheidend, sondern auch behäbige Schauspieler, deren Muskelberge und Geist in einem ungleichen Verhältnis stehen.
Trump, dieser empathische Krisenmanager, beweist Herz. Das Volk lechzt nach Ablenkung. Und wenn der isolierte Einzimmerbewohner auf etwas nicht verzichten kann, dann natürlich auf Wrestling. Dass es schwer ist, im Schwitzkasten den Mindestabstand einzuhalten – geschenkt. Außerdem hat die Einstufung Trumps natürlich nichts mit eigenen Interessen und Millionen Dollar zu tun.
Chef der Wrestlingliga WWE ist Bekannter von Trump
Purer Zufall also, dass der Expertenkommission, die die Rückkehr des US-Profisports vorantreiben soll, ein Kumpel Trumps angehört. Vince McMahon, Chef der Wrestlingliga WWE, Unternehmer und Multimilliardär.
Ach ja. Eigentlich hatten die Behörden in Florida auch empfohlen, dass die Wrestler ihren Livebetrieb einstellen. Der WWE drohte eine Strafe, weil sie gegen die Ausgangsbeschränkung verstößt. Doch wie regelt man Derartiges im Trumpschen Amerika? Richtig, mit Geld. Eine 18,5-Millionen-Dollar-Spende der Liga und schon ist Wrestling systemrelevant.
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