Kuranyi entschuldigt sich bei Bundestrainer Löw
Nach seinem Rücktritt und Rauswurf aus der Nationalelf hat sich Stürmer Kevin Kuranyi bei Bundestrainer Joachim Löw für sein Verhalten entschuldigt. Doch Löw bleibt hart.
Dortmund/Düsseldorf (dpa) - Kevin Kuranyi hat einen Tag nach seinem Rauswurf aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft um Verständnis für seine Stadion-Flucht beim Länderspiel gegen Russland geworben. Bei Bundestrainer Joachim Löw hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Doch Löw bleibt hart. Inzwischen hat Kuranyi seinen Rauswurf akzeptiert.
Bei einer Pressekonferenz in Gelsenkirchen bezeichnete der Schalker seinen Abgang in der Halbzeit als "Fehler", begründete die spontane Handlung aber mit dem aufgestauten Frust über Jahre: "Das Gesamte konnte ich nicht mehr tragen." Den Rauswurf durch Bundestrainer Joachim Löw, bei dem er sich ebenso wie bei seinen bisherigen Nationalmannschafts-Kollegen entschuldigte, akzeptiere er.
Der 52-malige Nationalspieler schloss nicht aus, trotzdem wieder für Deutschland zu spielen: "Was in der Zukunft passiert, entscheiden andere Menschen", erklärte Kuranyi.
Löw betonte bei der zeitgleichen Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Düsseldorf, dass er die telefonische Entschuldigung von Kuranyi für dessen unerlaubtes Entfernen von der Nationalmannschaft angenommen habe. Zugleich hat er die Trennung vom Schalker Stürmer aber als "unwiderruflich" bezeichnet. "Daran gibt es nichts zu rütteln", erklärte Löw.
Kuranyi hatte sich erst am späten Sonntagabend bei Löw gemeldet "und sich grundsätzlich für seine Reaktion entschuldigt", sagte der DFB-Chefcoach. Kuranyi habe den "Fehler, die Mannschaft im Stich gelassen zu haben", eingestanden, berichtete Löw von dem Gespräch. "Aber meine Entscheidung steht."
Kuranyi will sich vorerst ganz auf seine Aufgaben beim FC Schalke konzentrieren. "Ich habe genügend Ziele, die ich noch erreichen möchte", sagte der 26-Jährige. Nun will er wieder "normal" mit der Mannschaft des Bundesligisten trainieren. Von den Schalker Verantwortlichen erhält er "bedingungslos" Rückendeckung, wie Manager Andreas Müller erklärte: "Wir stehen zu 100 Prozent hinter Kevin. Ich habe höchsten Respekt vor seiner Entscheidung." Kuranyi hatte 52 Länderspiele für Deutschland bestritten und dabei 19 Tore erzielt.
Der Eklat von Kevin Kuranyi platzte mitten in den Jubel über eine begeisternde Dortmunder Fußball-Nacht, doch Joachim Löw sortierte postwendend den Störenfried aus und richtete sofort alle Konzentration auf einen sportlichen Nachschlag gegen Wales.
"So wie Kevin gestern reagiert hat, kann ich das nicht akzeptieren und werde ihn deshalb in Zukunft nicht mehr für die Nationalmannschaft nominieren", erklärte der Bundestrainer am Sonntag in Düsseldorf und machte danach im Training den Reservisten schon wieder kräftig Dampf.
Kuranyi war am Samstag noch während des beeindruckenden Auftritts seiner Kollegen im WM-Qualifikationsspiel gegen Russland (2:1) aus Frust über seine Tribüne-Rolle ohne Abmeldung aus dem Dortmunder Stadion verschwunden und untergetaucht.
Manager Oliver Bierhoff stufte den Rauswurf als unumgänglich ein. Schalke-Manager Andreas Müller äußerte dagegen Verständnis für Kuranyi: "Seine persönliche Enttäuschung war einfach zu groß. Da hat er es nicht mehr ausgehalten."
Vom neuen Kurs, wieder ein bedingungsloses Leistungsprinzip durchzusetzen, wird auch der stillose Abgang des beleidigten Reservisten Kuranyi den Bundestrainer nicht abbringen. Mit einem nach dem EM-Finale neu entfachten Konkurrenzkampf legte Löw die Grundlage für das beeindruckende 2:1 im ersten Gipfeltreffen gegen die bärenstarken Russen. Den bald 39-jährigen Jens Lehmann hat Löw nach der EM in Nationalmannschafts-Rente geschickt, Christoph Metzelder zunächst aussortiert - und gegen Russland musste Torsten Frings auf die Bank und Kuranyi nach schwachen Trainingseindrücken auf die Tribüne. "Wir haben gut kombiniert, haben aufs Tempo gedrückt und hatten viele Torabschlüsse", beschrieb der DFB-Chefcoach die positiven Auswirkungen der internen Auslese.
Angesichts der vielen Russland-Gewinner um René Adler und Michael Ballack wollte sich Löw dann auch nicht lange mit dem Problemfall Kuranyi aufhalten. Noch in der Nacht beschloss die sportliche Leitung den Rauswurf des 26-jährigen Stürmers, bevor der selbst seinen angekündigten Rücktritt verkünden konnte. "Das war die einzig mögliche Entscheidung", sagte Löw und rückte die nächste Aufgabe am Mittwoch in Mönchengladbach gegen Wales in den Mittelpunkt: "Der Sieg gegen Russland war sehr wichtig für uns, aber wir müssen jetzt nachlegen und einfach die drei Punkte holen." Wales (6 Punkte) lauert nach einem 2:0 gegen Liechtenstein in der WM-Gruppe 4 nur einen Zähler hinter Spitzenreiter Deutschland (7). Auch Finnland (4) mischt nach einem 1:0 gegen Aserbaidschan mit Trainer Berti Vogts munter mit und steht derzeit sogar vor Russland (3).
Spätestens seit der Erleichterung über die erfolglose Aufholjagd des Russland-Expresses vor 65.000 Fans im Fußball-Tempel Dortmund ist auch dem letzten DFB-Akteur bewusst, dass die direkte Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2010 eine große Herausforderung wird. Die drei Heim-Zähler gegen den größten Kontrahenten waren da nur Pflicht. "Wir dürfen keine Punkte verschenken in der Gruppe. Ich glaube nicht, dass die Russen viele Punkte gegen die anderen Mannschaften lassen werden", erklärte Ballack. Der Kapitän (28.) baute in der ersten Hälfte, die Abwehrspieler Heiko Westermann als "weltklasse" titulierte, die schnelle Führung durch Lukas Podolski (9.) auf 2:0 aus. Später trug er mit viel Einsatz und Übersicht entscheidend dazu bei, dass nach dem Anschlusstor von Superstar Andrej Arschawin (51.) der wertvolle Sieg über die Ziellinie gerettet wurde.
Nach seinem 39. Treffer im 88. Länderspiel legte Ballack demonstrativ den Zeigefinger auf seine Lippen. "Ich muss das nicht erklären. Jeder weiß, was die Geste zu bedeuten hat", sagte der Kapitän danach. Dem 32-jährigen Chelsea-Star war über 93 Minuten anzumerken, dass er auf dem Rasen die Antwort auf die Diskussionen um seinen Führungsstil und seinen Platz im DFB-Team geben wollte. "Er hat ein Tor gemacht, er hat die Mannschaft voran geführt", gab Manager Bierhoff zu Protokoll, mit dem sich Ballack in den vergangenen Wochen einige verbale Duelle geliefert hatte. "Es war wichtig, dass sich die jungen Spieler an ihm orientieren konnten. Er ist der unumstrittene Kapitän", erklärte auch Chefcoach Löw.
Zum zweiten großen Gewinner avancierte Überflieger Adler, der nach der Verletzung von Torwart Robert Enke ein astreines Debüt hinlegte und sich sofort als Favorit auf die Nummer 1 positionierte. "Man hatte nie das Gefühl, dass er von Nervosität angesteckt wird und =seine Konzentration verliert", sagte Löw. Der 23 Jahre alte Adler genoss jede Sekunde" und ordnete sein erstes A-Spiel als Baustein in seiner bislang jungen Karriere ein, "für die ich so viel geopfert habe".
Mehr als ein erster Baustein auf dem Weg nach Südafrika war das auch für Podolski nicht: "Gegen Liechtenstein haben wir ein gutes Spiel gemacht und dann in Finnland ein wenig abgebaut. Das darf uns jetzt gegen Wales nicht passieren." Der 23-jährige Bayern-Stürmer zeigte gegen die Russen wieder sein Deutschland-Gesicht. "Sie haben doch ein bisschen Ahnung vom Fußball: Wenn Sie das beobachten, dann sehen Sie, dass ich in München nicht spiele und hier spiele", lieferte er die Erklärung dafür den Journalisten gleich mit.
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