Ein Bayer und seine Liebe zu St. Pauli
Selten wurde der FC Bayern München von einem vermeintlich sicheren Absteiger so vorgeführt wie im Spiel beim FC St. Pauli. In nahezu allen Belangen waren die Hausherren überlegen. Am Ende siegten die Hausherren mit 2:1 gegen den hohen Favoriten.
Von Herbert Schmoll, Augsburg/Hamburg
Selten wurde der FC Bayern München von einem vermeintlich sicheren Absteiger so vorgeführt wie im Spiel beim FC St. Pauli. In nahezu allen Belangen waren die Hausherren überlegen, vor allem die Kampfbereitschaft stach bei den Kiez-Kickern heraus. Am Ende siegten die Hausherren mit 2:1 gegen den hohen Favoriten. Das Resultat: Volksfest auf dem Kiez.
So wurde im Februar 2002 berichtet, als der FC St. Pauli, damals noch in der ersten Bundesliga beheimatet, sensationell den FC Bayern München besiegte. Beinahe die ganze Republik, mit Ausnahme der Bayern-Fans versteht sich, feierte den "Weltpokalsiegerbesieger", dessen Spieler sich mit diesem Triumph in die Geschichtsbücher des Klubs eintrugen. Thomas Meggle war dabei, durfte sich als Torschütze zum 1:0 des krassen Außenseiters feiern lassen.
Sicherlich eine Sternstunde in der Karriere des mittlerweile 32-jährigen Fußballprofis. Er wurde in der Talentschmiede des FC Augsburg ausgebildet und empfängt am kommenden Sonntag (14 Uhr) im Stadion am Millerntor mit dem FC St. Pauli, bei dem mit Marvin Braun noch ein weiterer Ex-Augsburger spielt, seinen ehemaligen Klub.
Mittwochabend gegen 18 Uhr. Am anderen Ende der Leitung meldet sich Thomas Meggle, Stimmengewirr im Hintergrund, "Moment mal, macht bitte die Tür zu". Beim FC St. Pauli scheint die Stimmung in diesen Herbsttagen prächtig zu sein, in der Kneipe des Stadions wird heftig diskutiert. Der Geräuschpegel ist hoch und dringt bis in den Umkleidetrakt der Profis vor. "Bei uns ist immer etwas los", erklärt Meggle seinem Gesprächspartner im fernen Bayern. Wohl mit ein Grund, weshalb er bei diesem Klub spielt, den Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick kürzlich als einen der beliebtesten in ganz Deutschland bezeichnete. Vor Jahren sagte Meggle mal über seinen Arbeitgeber: "Niemand kommt wegen der Kohle zu St. Pauli, da es dort keine gibt. Wer zu St. Pauli kommt, tut dies wegen St. Pauli."
Ein waschechter Bayer an der Waterkant. Geht das überhaupt? Offenbar ebenso, wie sich zahlreiche Nordlichter in unseren Breitengraden heimisch fühlen. 1997 wechselte Thomas Meggle vom Bayernligisten FC Starnberg in den hohen Norden, trug das St.-Pauli-Trikot zwei Jahre, ehe er für eine Saison in die Heimat zurückkehrte und bei den Münchner Löwen anheuerte. Zwölf Monate später packte er wieder die Koffer, verließ München und blieb bis 2002 in Hamburg. Dann lockten ihn die erste Bundesliga und Hansa Rostock. Doch auf der Hansa-Kogge schipperte der Mittelfeldspieler auch nur drei Jahre, lag mit "Kapitän" Armin Veh ("das hat nicht gepasst") nicht auf einer Wellenlänge und kehrte so, konsequent wie er nun mal ist, an den Kiez zurück. Warum ist der FC St. Pauli Kult? Hier fühlt sich "Meggi", wie er von Fans und Kollegen genannt wird, wohl, hier hat er seine sportliche Heimat gefunden. Er liebt den Klub, "es gibt viele Dinge, die diesen Verein auszeichnen".
Der Kontakt zu den Fans etwa ist extrem eng, "die Vielfalt macht den FC St. Pauli so interessant", schwärmt Meggle. Dass der Hafenarbeiter seinen Platz neben dem Bankdirektor auf der Tribüne hat, dass dort die Berührungsängste verschwinden, "da kann man über vieles reden, nicht nur über den Fußball". Selbst die Bordsteinschwalben von der Reeperbahn zählen zu den Fans der Fußballer.
Thomas Meggle zählt zu der Spezies von Balltretern, deren Horizont nicht am Spielfeldrand endet. Und trotzdem, zu der nicht immer einfachen Situation auf St. Pauli will er sich nicht unbedingt äußern. "Warum soll ich mir Gedanken um Dinge machen, die ich sowieso nicht beeinflussen kann? Die mich in meinem eigentlichen Job, gut Fußball zu spielen, stören könnten?" Einsichten aus zehn Jahren Profifußball, in denen Meggle nie die Bodenhaftung verloren hat - und eine Einstellung, die wohl auch seine Beliebtheit bei den Fans erklärt.
Hinter seinem Klub liegen turbulente Tage. Erst das Pokal-Aus bei der zweiten Mannschaft von Werder Bremen, wenig später der starke Auftritt in der zweiten Liga bei 1899 Hoffenheim (1:1). 14 Punkte hat der Aufsteiger derzeit auf dem Konto, 20 sollen es bis zur Winterpause werden. Und da ist einen Steinwurf von der Reeperbahn entfernt ein Heimsieg gegen den FCA fest eingeplant. Dabei genießen die Augsburger bei Thomas Meggle großen Respekt, "die Mannschaft ist besser, als es ihr Tabellenplatz aussagt".
Obwohl er schon mehr als ein Jahrzehnt aus Augsburg (er spielte auch eine Saison beim TSV Schwaben) weg ist, so sind seine Erinnerungen an die Zeit beim FC Augsburg und die deutsche Meisterschaft der A-Junioren 1993 unter Heiner Schuhmann durchaus positiv. "Unser Teamgeist war sehr ausgeprägt, dementsprechend haben wir sehr guten Fußball gespielt." 1300 Augsburger werden den FCA nach Hamburg begleiten. Thomas Meggle freut sich auf das Wiedersehen.
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