Kanadas Eishockey-Frauen sind auch gegen die USA nicht zu halten
Die beiden Frauenteams aus Nordamerika sind deutlich besser als die Konkurrenz. Erst im Finale werden sie so richtig gefordert – wenn sie direkt aufeinandertreffen.
Die Busse sind voll. Das Interesse ist groß. Gut 30 Minuten dauert die Fahrt vom Olympischen Zentrum Pekings in den Wukesong Sports Centre. Dort fand am chinesischen Mittag das Finale im Frauen-Eishockey statt. In den Bussen saßen US-Amerikaner und Kanadier, die vom Hauptpressezentrum aufbrachen.
Sie hatten sich diesen Termin schon weit im Vorfeld des Endspiels eintragen können. Sechs olympische Endspiele gab es. Kanada war sechsmal dabei, die USA fünfmal. Es ist ein nordamerikanisches Duell um die Vorherrschaft.
Für beide Länder beginnt das Turnier eigentlich erst im Endspiel. Das zeigten die Halbfinals. Kanada hatte die Schweiz mit 10:3 besiegt, die USA gewannen gegen Finnland mit 4:1. Es waren keine schweren Aufgaben. Fast so, als müssten Bayern Münchens Meisterfußballer plötzlich in der zweiten Liga spielen. Im Finale aber steigt die Herausforderung. Plötzlich muss nach einem entspannten Durchmarsch die eigene Leistungsfähigkeit voll abgerufen werden. Wenig überraschend, dass das die Kanadierinnen besser hingebracht haben. Durch einen 3:2 (2:0,1:1,0:1)-Sieg holten sie sich den Olympiasieg.
"Wenn sie Blut riechen, dann kommen sie"
Colin Muller ist gebürtiger Kanadier. Seit 30 Jahren arbeitet und lebt er aber in der Schweiz. Er spricht perfekt Schweizerdeutsch und ist seit 2019 Assistenztrainer der Eishockey-Frauen. Sie waren im Halbfinale gegen Kanada chancenlos. Muller hatte das erwartet. Nach dem Spiel sagte er über die Frauen aus seinem Heimatland: "Wenn sie Blut riechen, dann kommen sie. Und du kannst nichts machen." Sie können dich als Gegner überrollen, keine Chance lassen. Die Schweiz hat das gespürt, die USA aber wehrten sich nach Kräften. Doch die Treffer von Hilary Knight (37.) und Amanda Kessel (60.) waren zu wenig. Kanada hatte bereits durch die Tore von Sarah Nurse (8.) und Marie-Philip Poulin (16./30.) mit 3:0 geführt und verdient gewonnen.
In Kanada und den USA unterstützen die Verbände auch das Frauen-Eishockey stark, während in anderen Nationen der Fokus auf den Männern liegt. In Nordamerika aber spielt Eishockey eine bedeutende Rolle – egal, ob bei Frauen oder Männern. Die Folge ist eine außergewöhnliche Qualität – und Langeweile bei Großereignissen. Zumindest bis zum Finale. Die deutschen Frauen hatten die Olympischen Spiele verpasst. Beim Qualifikationsturnier im Allgäu reichte ihnen ein Sieg nach Penaltyschießen gegen Dänemark nicht. Stattdessen jubelten die Däninnen. Auch Deutschlands Männer hatten enttäuscht. Sie waren zwar in China dabei, scheiterten aber frühzeitig.
Die USA sahen dem roten Freudenknäuel zu
Die US-Frauen standen nach der Schlusssirene traurig auf dem Eis. Sie stützten sich müde auf ihre Schläger, während auf der anderen Seite nur noch ein roter Freudenknäuel zu sehen war. Helme und Schläger hatten die Kanadierinnen weggeworfen, sie jubelten befreit. Abby Roque fuhr derweil von Spielerin zu Spielerin. Sie ist die erste nicht-weiße Akteurin im US-Team. Zugleich ist sie auch die erste Indigene, die für die USA Eishockey spielt.
"Ich denke, das ist eine Schande", meinte sie. Dass es eben so lange gedauert hat, bis das Land so weit war. Roque wuchs in Sault Ste.-Marie auf, einer Kleinstadt an der Grenze zu Kanada. Fast jeder Zehnte der 13.000 Einwohner ist indigen. Daher sei ihre Herkunft vom Stamm der Wahnapitae First Nations dort nie ein Thema gewesen. Mit ihrer Karriere und dem Höhepunkt Olympia will die 24-Jährige anderen indigenen Mädchen zeigen, dass viel möglich ist.
Gerne hätte sie die Goldmedaille mit nach Hause gebracht. Am Ende aber stand sie in den Katakomben der Eishalle und musste über eine Niederlage reden. Dennoch sei sie stolz auf die Mannschaft und das gesamte Teamgefüge. "Es ist nun mal, wie es ist", sagte sie. Sie wollte sich nicht lange mit Hadern oder Enttäuschung aufhalten. Sie weiß: Sportlicher Erfolg ist nicht alles.
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