Warum Erfahrung bei Olympia in China Gold wert ist
Viele ältere Athleten räumen in China die Medaillen ab. Das hängt auch mit den Bedingungen vor Ort ab, die gerade für Neulinge sehr schwierig sein können.
Kaillie Humphries blickte über die Fotografen hinweg. In die Ferne konnte ihr Blick nicht schweifen, er endete an einer Mauer, die rund 20 Meter entfernt ist. Eng geht es im Zielbereich des Eiskanals zu. Eine kleine Tafel aber konnte sie genau erkennen. 1,54 Sekunden war darauf in grüner Schrift zu lesen. Ihr Vorsprung nach vier Rennen im Monobob. Die 36-jährige US-Amerikaner hat überlegen Gold gewonnen.
Alte Hasen tun sich offenbar leichter bei Olympia unter Pandemie-Bedingungen
Ihr Triumph zeigt: Die Olympischen Spiele von China sind oft in der Hand älterer Athleten und Athletinnen. Neben Humphries stand Elana Meyers Taylor auf dem Podium. Auch sie kommt aus den USA, sie ist noch ein Jahr älter als ihre Teamkollegin. Meyers Taylor durfte sich über Silber freuen.
Erfahrung ist bei diesen Spielen in und um Peking offenbar Gold wert. Die Bedingungen in China sind ganz besondere. Die Pandemie und ihre Begleiterscheinungen lassen keine normalen Olympischen Spiele zu. Tägliche Tests, Kontaktbeschränkungen, viele Formalitäten vor der Einreise: alte Hasen tun sich damit offenbar leichter als Olympia-Neulinge. "In China muss man abgebrüht sein mit all den Störfaktoren. Wenn man schon viel erlebt hat im Weltcup oder bei Olympia, hilft das natürlich", sagte Andreas Scheid, sportlicher Leiter bei Snowboard Germany.
Olympia schon einmal erlebt zu haben, ist ein Vorteil
Olympia sollen die Spiele der Jugend sein. Sind sie teilweise auch noch, wie die 18-jährige Chinesin Eileen Gu im Ski-Freestyle zeigt. Sie ist einer der großen Stars der Spiele. Oder ihr 17-jähriger Landsmann Su Yiming, der im Slopestyle Silber gewonnen hat. Oftmals aber setzt sich Erfahrung gegen Unbekümmertheit durch. Der Faktor Erfahrung wird auch im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) bei der Nominierung diskutiert.
Es sei wichtig, junge Athleten mitzunehmen, um sie Erfahrungen sammeln zu lassen, sagte Dirk Schimmelpfennig, Chef de Mission im DOSB. Er meinte aber auch: "Es ist ein großer Vorteil, wenn man schon einmal Olympische Spiele erlebt hat. Es ist eine große Hilfe im Umgang mit dem Wettkampf. Das ist eine andere Situation als bei einem normalen Weltcup."
Was Erfahrung wert ist, vor allem viele Kilometer unter dem Brett zu haben, zeigten zwei Amerikaner im Snowboardcross: Lindsey Jacobellis und Nick Baumgartner. Sie gewannen den Mixed-Wettbewerb. Jacobellis ist 36 Jahre alt, ihr Partner bereits 40. Körperlich sind sie in Topform, im Kopf offenbar auch. Jacobellis triumphierte auch gleich noch im Einzelwettbewerb.
Der 35-jährige Shaun White verpasste eine Medaille nur knapp
In der Snowboard-Halfpipe verpasste Shaun White nur knapp eine Medaille. Der 35-jährige US-Superstar hat mit diesem Olympia-Wettkampf seine Karriere beendet. Hätte womöglich gar nicht sein müssen, wie der Franzose Johan Clarey bewies. Mit 41 Jahren gewann er Silber in der Abfahrt. Neben ihm standen auf dem Podium der 34-jährige Schweizer Beat Feuz (Gold) und der 31-jährige Österreicher Matthias Mayer (31). "Meine Mutter sagte immer, dass ich in meinem Leben für alles länger gebraucht habe, fürs Gehen, Sprechen lernen. Das gilt vermutlich auch für meine Ski-Karriere", sagte Clarey. Schließlich hat er noch nie ein Weltcup-Rennen gewonnen.
Auch das deutsche Team kann sich auf seine erfahrenen Athleten verlassen. Auf Denise Herrmann (33) im Biathlon, Natalie Geisenberger (34) und Johannes Ludwig (35) im Rodeln. "Ein bisschen Erfahrung schadet nicht", sagte Herrmann. Das musste auch Laura Nolte zugeben. Die 23-Jährige landete im Monobob am Montag auf Rang vier. "Erfahrung spielt natürlich eine Rolle", sagte sie. Während sie selbst in den Läufen zwei und drei nicht sauber durch die Bahn kam, schlug Kaillie Humphries kaum mal an der Umrandung an. "Sie hat so ein wahnsinniges Gespür. Sie merkt, wenn der Schlitten Millimeter schrägt steht und kann es korrigieren", sagte Nolte.
Österreichischer Skispringer ist bereits seit 21 Jahren in der Weltspitze dabei
Manchmal aber muss es im hohen Sportler-Alter nicht unbedingt Gold sein. Auch Silber macht glücklich. Manuel Fettner hat in China seine erste Einzelmedaille bei einem Großereignis geholt. Der 36-jährige Österreicher wurde Zweiter von der Normalschanze. Seit 21 Jahren ist er nun schon in der Skisprung-Weltspitze dabei. Geduld zahlt sich also aus. "Das freut mich voll. Mit dem bin ich schon lange unterwegs, ich habe ihm die Daumen gedrückt. Er ist im Sommer noch im Continental Cup gehüpft und jetzt: Respekt", sagte der deutsche Springer Markus Eisenbichler. Mit seinen 30 Jahren weiß auch er, wie wichtig Erfahrung sein kann.
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