Kein Fußballkommentator polarisierte wie Béla Réthy
Am Mittwoch kommentiert Béla Réthy letztmals ein Fußballspiel. Mit ihm verlässt ein Mann das Fernsehen, an dem sich viele rieben. Aber warum eigentlich?
Als Béla Réthy seine ersten Spiele im Fernsehen kommentierte, gab es noch kein Internet. Das dürfte seiner Karriere zuträglich gewesen sein, denn allzu harsche Kritik kann Talent verformen. Als dann jeder und jede die Öffentlichkeit wissen lassen konnte, was von Hundefrisuren, politischen Ausrichtungen oder eben Fernseh-Kommentatoren zu halten ist, war es Réthy egal. Am Mittwoch wird er letztmals ein Spiel für das ZDF kommentieren. WM-Halbfinale, Frankreich - Marokko, hätte schlimmer kommen können für den Mann, der an ebendiesem Mittwoch auch noch seinen 66. Geburtstag feiert.
Kein Kommentator, an dem sich Zuschauerinnen und Zuschauer so abgearbeitet haben, wie an Réthy. Online-Petitionen, man möge dem Mann doch bitte endlich das Mikrofon abnehmen. Dabei hat es Réthy nie darauf angelegt, zu provozieren. 2013 musste sich der Fernsehrat mit einer Beschwerde befassen. Réthy hatte gesagt, die USA würden "auch mal gegen irgendwelche Kokosnussinseln" verlieren. Verdacht: Herabwürdigung. Rassismus. Sah der Fernsehrat anders.
Stimme des Fußballs: Béla Réthy kam als Kind nach Deutschland
Réthys Eltern hatten Ungarn kurz nach dem Volksaufstand 1956 verlassen. Geburt in Wien, kurz danach zog die Familie nach São Paulo. Als Zwölfjährigen schickten ihn die Eltern zu Verwandten nach Bayern. "Die Zeit war die Hölle", sagte er dem Spiegel. Kein Wort Deutsch habe er damals gesprochen – und doch erhielt er 1976 sein Abiturzeugnis. Réthy spricht neben Deutsch, Ungarisch und Portugiesisch auch noch Englisch, Französisch und Spanisch.
Er jongliert nicht mit Sprache wie etwa Marcel Reif oder emotionalisiert wie Frank Buschmann oder Wolf Fuss. Réthy war immer ein Mann der Mitte, weshalb die Kritik an ihm noch mehr überrascht. Während der WM in Katar hat er in Sandro Wagner einen Co-Kommentator erhalten, der ihn ein wenig entlastet. Réthy sah sich zuvor schon nicht in der Position, Gesehenes zu analysieren, sondern beschrieb lieber. Mit Wagner an seiner Seite gelang das noch besser. An seiner wohlig verrauchten Stimme hatte sowieso noch niemand etwas auszusetzen. Über die Jahrzehnte hinweg führte er seinen Stimmbändern tausende Zigaretten zu, auf dass ihr Timbre erhalten bleibt. Am Mittwoch ist sie letztmals bei einem Live-Spiel zu hören. Danach: Haus in Portugal mieten und mit einem VW-Bus durch Europa fahren. Mit wem? Geheimnis. Réthy hat zwei erwachsene Kinder, sein Beziehungsstatus ist nicht bekannt. Fast wie in einer Zeit, in der es noch kein Internet gab.
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Ich habe ihn immer gerne gehört.