Schwarzarbeit steigt durch Corona deutlich an
Exklusiv Die Corona-Krise führt dazu, dass mehr Menschen sich an der Steuer vorbei Geld dazuverdienen. Nicht alle halten das für ein Problem.
Wegen der Corona-Pandemie wird die Schwarzarbeit in Deutschland bis Ende des Jahres 2020 voraussichtlich deutlich ansteigen. Zu dieser Erkenntnis kommt Friedrich Schneider. Der Linzer Wirtschaftsprofessor beschäftigt sich seit 40 Jahren mit dem Thema Schattenwirtschaft - man könnte auch sagen: Er ist der Schwarzarbeits-Papst. Einmal im Jahr bringt er mit dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen eine Prognose zur Schattenwirtschaft heraus. Dieser Bericht war im Februar 2020 noch recht positiv. Um zwei Milliarden Euro sollte das Volumen der Schattenwirtschaft zurückgehen - auf 322 Milliarden Euro. Doch Corona hat das geändert.
Also hat Friedrich Schneider noch einmal gerechnet. Und die neuesten Zahlen, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen: Bricht das Wirtschaftswachstum dieses Jahr um sieben Prozent ein - wovon zum Beispiel der Internationale Währungsfonds ausgeht - steigt die Schwarzarbeit im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent an. Sie erreicht dann ein Volumen von knapp 10,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - oder 344 Milliarden Euro. Geld, das der Staat gerade dringend brauchen könnte, pumpt er doch riesige Summen in die Rettung der Wirtschaft.
Schon in der Finanzkrise 2009 haben mehr Menschen schwarz gearbeitet
Überraschend kommt der Anstieg der Schwarzarbeit für Schneider aber nicht. Ähnlich war die Entwicklung auch schon in anderen Krisen. Schneiders Erhebungen zeigen: Seit 2003 ist die Schattenwirtschaft in Deutschland zwar jährlich zurückgegangen - doch schon in der Finanzkrise 2009 gab es eine Ausnahme. Auch damals arbeiteten mehr Menschen schwarz - und die Schattenwirtschaft erreichte den Berechnungen zufolge eine Größe von 14,3 Prozent des BIP.
Schneider erklärt das so: Wenn die Lage am Arbeitsmarkt gut ist, Mitarbeiter händeringend gesucht werden und die Wirtschaft wächst, geht die Schwarzarbeit zurück. Kommt es hingegen zu einer Rezession - so wie jetzt durch die Coronakrise oder 2009 durch die Finanzkrise - verdienen sich mehr Menschen etwas dazu, ohne es dem Finanzamt zu melden. Ein Problem? Überhaupt nicht findet, Schneider.
"Das Geld, das mit Schwarzarbeit erwirtschaftet wird, fließt ja eins zu eins wieder in die Wirtschaft zurück", sagt er. Für viele Menschen, die jetzt etwa durch Kurzarbeit einen Teil ihres Lohns einbüßten oder gar arbeitslos würden, sei Schwarzarbeit ein Weg, nicht in die Armut zu rutschen, sagt der österreichische Professor. Dadurch, dass sie weiterhin Geld verdienen, bliebe zudem ihre Kaufkraft erhalten. Natürlich entgingen dem Staat Steuereinnahmen und auch der Wettbewerb werde verzerrt, weil die Leistungen günstiger angeboten werden, räumt er ein. Insgesamt hielten sich die negativen und positiven Folgen aber die Waage, sagt Schneider.
Thomas Eigenthaler: Auch die Kontrollen der Finanzämter sind momentan nur eingeschränkt möglich
Thomas Eigenthaler sieht das ganz anders. Er ist Finanzbeamter und Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Menschlich, sagt Eigenthaler könne er es verstehen, wenn jemand, der jetzt durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit weniger Nettoeinkommen zur Verfügung habe, Angst bekommt. "Die ökonomische Not erhöht vielleicht bei manchem die Neigung, bei der Steuer nicht ehrlich zu sein", sagt er. Dennoch verurteilt er das auf schärfste. Wie hoch der Steuerausfall durch Schwarzarbeit 2020 wirklich sein wird, kann Eigenthaler nur schwer einschätzen. "Das lässt sich vielleicht im Nachhinein bewerten", sagt der Chef der Steuergewerkschaft.
Aber er merkt noch etwas anderes an: Schon 2019 waren in den deutschen Finanzämtern 6000 Stellen unbesetzt. Es findet sich kaum Nachwuchs. Bei den Steuerfahndern - also denjenigen, die die Schwarzarbeit aufdecken müssten - sieht es nicht besser aus. 3300 gibt es davon deutschlandweit. Nicht besonders viele, merkt Eigenthaler an. Und natürlich könnten auch sie ihren Aufgaben momentan nur eingeschränkt nachkommen. "Wenn die Kontrollen wegfallen, wird die Verlockung, nicht ganz ehrlich zu sein, vielleicht noch größer", sagt er.
Schwarzarbeit aufzudecken fällt in Deutschland auch in die Zuständigkeit des Zolls. Im vergangenen Jahr haben 7263 Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit insgesamt 55.000 Unternehmen kontrolliert und 115.000 Strafverfahren eingeleitet. Rechnet man die Verstöße, die sie aufgedeckt haben, in Geld um, das dem Staat entgangen ist - etwa durch Steuern oder entgangenen Sozialversicherungsbeträge - ergibt das eine Summe von 755,4 Millionen Euro.
Hat Schneider mit seiner Prognose recht, müsste diese Summe sogar noch steigen. Und erst recht dann bräuchte der Zoll mehr Mitarbeiter, sagt Karl-Heinz Wißmeyer Vorstandsmitglied der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) in Nürnberg. Bis 2029 soll die Zahl der Beamten auf 10.000 ansteigen - zu langsam, findet er. Das müsse dann natürlich schneller gehen. "Auch in der Finanzkrise haben wir ja beobachtet, dass die Schwarzarbeit zugenommen hat", sagt Wißmeyer. Und sein Kollege Dieter Dewes, Vorsitzender des BDZ sagt: Auch 10.000 Mitarbeiter sind noch zu wenig. Die Gewerkschaft fordert 15.000 Stellen bis 2029.
Der Zoll selbst hat übrigens keine Schätzungen dazu, ob die Schwarzarbeit wegen der Krise ansteigen könnte - und auch nicht dazu, ob die Behörde mehr Ermittler bräuchte, um der Lage Herr zu werden. "Die Zollverwaltung beteiligt sich nicht an Spekulationen zu möglichen zukünftigen Entwicklungen der Schwarzarbeit", heißt es von dort.
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Und warum arbeiten viele der "kleinen Leute" schwarz? Weil Staat und Krankenkassen schamlos die Hand aufhalten!
Da wird das Geld gnadenlos eingetrieben und an "die da oben" und die Industrie (ich sag nur Kaufprämie für Luxusautos) umzuverteilen.
In kaum einem anderen Land ist die Steuer- und Abgabenlast so hoch wie in Deutschland. Hatte im Mittelalter der gemeine Bauer nur seinen Zehent (= 10%) abzutreten sind wir heute mit allen Steuern kombiniert (Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer usw.) wahrscheinlich bei 75 - 80%
Der Zehent war nur die Abgabe für die Kirche. Der Grundherr hat sich auch noch seinen Teil abgeholt. Dazu kam noch der Frondienst. Wenn man starb erhielt dieser einen nicht unerheblichen Teil des Erbes (1/2 oder 1/3 ?) als "Entschädigung". Auch gab es oft noch diverse zusätzliche Steuern und Auflagen, wie das Korn in der Mühle des Grundherrn mahlen zu lassen - gegen eine von diesem festgesetzte Gebühr. War also viel günstiger. Im Gegenzug erhielt man Schutz vor anderen Grundherren und Räubern. Und statt eines Bildungs- und eines teueren Gesundheitssystems hatte man schließlich die Predigt und Gebete. Wenn man gut betucht war, konnte man ja noch zur Ader gelassen werden.
Und gegen eine Einschränkung der Grundrechte brauchte man auch nicht demonstrieren.
Ja, wie war das Mittelalter für den Ottonormalbürger doch schön, einfach und sozial gerecht. ;-)
Unsinn! Abgabenkenntnisse: ungenügend. Nach Ihrer Rechnung bleiben einem der 3000 Brutto verdient höchstens 25%, also 750 €. Ich glaube ich brauche nicht weiter darzulegen wie weit man mit 750€ im Monat kommt.