Galeria schließt 47 Filialen: Wie können Innenstädte attraktiv bleiben?
Die Reihe der Problemfälle im Handel in Innenstädten wächst. Ersatz für die von der Schließung bedrohten Warenhäuser zu finden, ist schwer. Welche Konzepte es gibt.
Auch wenn nach Zugeständnissen der Vermieter nun doch zwei weitere bayerische Filialen gerettet sind: Der Warenhauskonzern Galeria will nach jüngstem Stand 47 seiner noch verbliebenen 129 Filialen bis Ende Januar 2024 schließen, das gab er Anfang der Woche bekannt. Von den Schließungen betroffen sind erst einmal rund 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den betroffenen Filialen sowie 300 in der Essener Zentrale des Konzerns. Sie haben schon in der Vergangenheit niedrigere Löhne in Kauf genommen, um ihrem Arbeitgeber eine Zukunftsperspektive zu eröffnen.
Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen sich in der Branche aber noch mehr Beschäftigte. Denn die Zahl der Pleiten steigt: Die Schuhhändler Görtz und Salamander oder die Modekette Orsay etwa hat es bereits im vergangenen Jahr erwischt. Jüngst musste auch der Modehändler Peek&Cloppenburg aus Düsseldorf Insolvenz anmelden. Eine Insolvenz bedeutet nicht automatisch das Aus für die Firma. Aber sie zeigt den Bedarf einer grundsätzlichen Neuausrichtung.
Wenn diese mit der Schließung von Filialen einhergeht, dürften zumindest die Beschäftigten derzeit auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt gute Chancen haben. Viel härter trifft es dagegen viele Innenstädte. Denn trotz der langen Krise von Galeria sind die Warenhäuser gerade in kleinen oder mittleren Städten noch immer Anker in der Fußgängerzone.
Galeria schließt zahlreiche Filialen: Herausforderung für Innenstädte
Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, glaubt zwar weiterhin, dass das Warenhaus nach einer gründlichen Überarbeitung des Konzepts eine Zukunft hat. Aber er sieht durchaus die Herausforderung für die Innenstädte. "Gerade in Bayern haben wir viele große Mittelstädte. Die Verantwortlichen dort müssen sich klarmachen: Nur gemeinsam sind wir stark", sagt Puff.
Es habe in jüngerer Vergangenheit einige Pilotprojekte zur Steigerung der Attraktivität der Innenstädte gegeben. Wichtigste Erkenntnis laut Puff: Die Kommunen müssen sich klar werden, wohin sich ihre Stadt entwickeln soll. Das gehe nur mit einem intensiven Zusammenwirken von Politik, Gewerbetreibenden und Vermietern. "Man muss sehen, was vor Ort vorhanden ist, und die Stärken herausstellen", ist sich der Handelsfunktionär sicher.
Viel Arbeit sieht auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, noch vor den Kommunen liegen. "Die Transformation der Innenstädte und Stadtteilzentren ist kein Selbstläufer", sagte er unserer Redaktion. Bislang unterstützten der Bund und einige Länder eine Reihe von Städten dabei mit punktuellen Fördermaßnahmen. "Städte, Handel, Immobilienwirtschaft und die Zivilgesellschaft können gemeinsam neue tragfähige Konzepte auf den Weg bringen. Das braucht Ideen, Planung, Ausdauer, aber eben auch die nötigen finanziellen Mittel", betont Dedy. Das zahle sich am Ende aus: "Ein öffentlicher Euro zieht in aller Regel mindestens sieben Euro privater Investoren nach sich", rechnet er vor.
Einzelhandel im Wandel: Ein Umbau in Innenstädten ist unvermeidlich
Dass die Anstrengungen unvermeidbar sind, ist für Dedy offensichtlich: "Die Bedeutung des Einkaufens vor Ort schwindet; wer unter 30 ist, geht kaum noch zum Shoppen in die Innenstadt", sagt er. Auch der Städtetag will das Kaufhaus nicht abschreiben. Aber: Es müsse sich radikal verändern. "Wir brauchen neues Leben in alten Häusern. Unten Shopping, oben Start-ups, Co-Working-Labs, Künstler-Ateliers oder gar der Bürgerservice der Stadt. Wir wollen in den Innenstädten mehr Möglichkeiten für Begegnung und Erlebnis bieten, mit einer höheren Aufenthaltsqualität. Saubere und einladende öffentliche Räume, mehr Grün und Wasser in der Stadt sind dafür zentral. Die Menschen wünschen sich Orte zum Ausruhen und Verweilen", skizziert Dedy Wege in die Zukunft. Diese Maßnahmen zahlten zudem auf den Umbau zur klimagerechten Stadt ein.
Christian Gerloff hat mit seiner Kanzlei viele Insolvenzfälle im Einzelhandel begleitet und kennt die Gründe für das Scheitern vieler Händler daher aus erster Hand. Er sieht durchaus Zukunft für den stationären Handel. Es gebe zwar noch immer viel Nachholbedarf bei der Digitalisierung. "Aber nicht jeder stationäre Händler braucht einen Onlinehandel. Manchmal wäre es besser, wenn die Investitionen in das eigene Geschäftsmodell, eben den stationären Handel, fließen würden. Dort muss der Einkauf stärker zum Erlebnis inszeniert werden, und dabei ist auch Digitalisierung wichtig", sagt er. Rückbesinnung auf alte Stärken also: Beratung, Kundennähe, Service und persönlicher Austausch. Das starke Wachstum von Zalando und Co berge auch neue Gefahren: "Der Onlinehandel erkennt noch nicht immer, dass jedes Geschäftsmodell irgendwann auch profitabel werden muss. Wachstum allein reicht nicht", warnt Gerloff.
Wie der Umbau der Warenhäuser funktionieren kann, hat die Unternehmensberatung PwC anhand 52 bereits zwischen 2009 und 2020 geschlossener Warenhaus-Standorte untersucht. Das wichtigste Ergebnis: Sogenannte Mixed-Use-Konzepte, also die Nachnutzung eines aufgegebenen Warenhausstandortes mit mindestens zwei verschiedenen Nutzungsarten funktioniert oft gut. Zur Realisierung sind in der Regel aber zunächst große Umbauten nötig. Manchmal bleibt aufgrund des baulichen Zustands auch nur ein Abriss und anschließender Neubau.
Viele Leute haben das nötige Geld zum Einkaufen
"Während circa ein Drittel der reinen Einzelhandelsnachnutzungen wieder schließen musste, sind alle Mixed-Use-Konzepte nach wie vor am Markt", heißt es in der Studie. So könnte das Erdgeschoss der großen Häuser etwa weiterhin für den Einzelhandel genutzt werden. In den Obergeschossen gibt es dagegen meist eine Mischung aus Büros, Praxen, Gastronomie, Fitnessstudios und Wohnungen. Mitspielen muss bei solchen Umbauten aber auch die Kommune. Denn das Bauplanungsrecht steht einer Umnutzung oft entgegen. Allerdings zeigten sich die betroffenen Kommunen oft gesprächsbereit, da ein großer Leerstand in zentraler Lage schlecht für die Attraktivität der Innenstadt als Ganzes ist.
Abschreiben sollte man die Innenstädte jedenfalls nicht, betont auch Puff: "Spätestens wenn es jetzt wieder etwas wärmer wird, werden die Kunden auch kommen. Die Leute wollen raus, und trotz Inflation haben viele auch das nötige Geld zum Einkaufen."
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Eines der nach meiner Meinung bestehenden Hauptprobleme dürfte doch auch sein, dass, insbesondere wenn ich mich mit öffentlichem Nahverkehr in einer Innenstadt bewegen würde, ich nicht gewillt bin, mich mit meinen möglichen Einkaufstüten zusätzlich zu belasten. Könnte bedeuten, ich starte mit einer Tüte und nach mehreren Geschäften kann ich mich einer Flut von zu tragenden Einkaufstüten nicht mehr bewegen, geschweige denn den ÖPNV vernünftig zu nutzen. Warum werden hier nicht Alternativen geboten? Bleibt also folglich nur Internetshoppen, was mir freie Hände beschert.
Dann nehme ich Frau, Kinder und Enkel mit... :). In Augsburg wäre ja z.B. auch ein Parkhaus in der Nähe.
Inflation und frei verfügbare Mittel zum Shoppen sind nur die eine Seite der Medaille. Aber das Kaufverhalten der Konsumenten hat sich einfach geändert und es ist nicht nur die Generation unter 30, die kaum mehr zum Einkaufen in die Innenstadt geht, sondern dieses geänderte Kaufverhalten zieht sich durch alle Altersschichten. Der Online Handel, Outlets und Shopping Center an der Peripherie der Städte haben dazu signifikant beigetragen; in den USA hat dieser Trend schon viel früher eingesetzt - Warenhausketten sind nahezu ersatzlos verschwunden. Das zeitaufwendige Stöbern nach einer bestimmten Ware gehört immer mehr der Vergangenheit an. Auch wird die zeitaufwendige Fahrt bzw Gang in die Innenstadt zunehmend nicht mehr positiv gesehen. Mit Bekannten und Freunden kann man sich auch ausserhalb treffen.
Ich komme gerade von einem Spaziergang durch die Innenstadt und da habe ich einen ganz anderen Eindruck. Auch, dass das Augsburger Kaufhaus von Galeria bleibt, spricht für unsere schöne und lebendige Stadt. Aber Sie sind in Ihrem Qutlet-Center und im Ihle-"Cafe" im Industriegebiet sicher gut aufgehoben.
Vielleicht löst das Schauhaus das Kaufhaus ab. Die Kunden können im Schauhaus nichts kaufen, sondern die Dinge die es im Online Handel gibt, im Original sehen anfassen, ausprobieren und bei Gefallen den QR- Code zum Bestellen einscannen.Es lohnt sich für die online- Händler, wenn dadurch die Zahl der Retouren zurückgeht.
Bei allen Konzepten zur Belebung von Innenstädten wird die Laufkundschaft sich nur für jene annehmen, für die sich die Reise ins Zentrum auch tatsächlich lohnt.