Spritverbrauch: Hersteller tricksen immer stärker
Der Spritverbrauch auf der Straße weicht immer mehr von den Angaben der Hersteller ab. Inzwischen liegt der Unterschied bei 42 Prozent.
Viele Autofahrer ahnen schon lange, dass der Spritverbrauch ihres Autos auf der Straße viel höher liegt als vom Hersteller im Prospekt angegeben. Einer neuen Studie zufolge wird diese Abweichung außerdem immer größer: Ein vermeintlich sparsames Auto stellt sich immer stärker als Spritschlucker heraus und emittiert dementsprechend viel des Treibhausgases CO2, das bei der Verbrennung entsteht.
Lag die durchschnittliche Abweichung zwischen Test- und Realwerten im Jahr 2001 noch bei rund neun Prozent, stieg sie inzwischen auf knapp 42 Prozent im Jahr 2015. Das berichtet die Umweltorganisation ICCT. Im Durchschnitt aller Fahrzeuge ist der Verbrauch heute also 42 Prozent höher als angegeben. Das International Council on Clean Transportation war bereits an der Aufdeckung des VW-Abgasskandals beteiligt. Die Organisation hat die Daten von rund einer Million Fahrzeugen zwischen 2001 und 2015 untersucht.
Experte: Spritverbrauch müsse auf der Straße ermittelt werden
Besonders teure Autos im Premium-Segment fielen auf: Hier liege der Kraftstoffverbrauch einiger Fahrzeugmodelle im Durchschnitt mehr als 50 Prozent höher als vom Hersteller angegeben. Die Bemühungen um sparsame Motoren und weniger Verbrauch sind damit weit weniger effektiv als vermutet. „Insbesondere in den letzten Jahren wurden in der Realität kaum Fortschritte erzielt“, berichten die Autoren. Das spüren die Autofahrer am Geldbeutel: Für einen durchschnittlichen Fahrzeugkäufer seien die Kraftstoffkosten inzwischen etwa 450 Euro höher, als es die Herstellerangaben vermuten ließen.
Wie kann dies sein? Ingenieur Matthias Gall misst am ADAC-Testzentrum in Landsberg am Lech die Emissionen von Fahrzeugen und kennt die Tricks der Autobauer. Er kann bestätigen, dass die Spanne zwischen den offiziellen Verbrauchsangaben und den im ADAC EcoTest ermittelten Werten immer größer wird. „Die Hersteller optimieren am Prüfstand immer mehr“, sagt er. Dort kämen zum Beispiel widerstandsoptimierte Leichtlauf-Reifen zum Einsatz. In der Regel werde auch die Batterie bei Testbeginn geladen, so dass die Lichtmaschine nicht arbeiten müsse. „Spezielle Leichtlauf-Öle senken den Widerstand weiter“, sagt er. Im Alltag kommen diese Schmiermittel kaum zum Einsatz, da sie zu teuer sind. Üblich sei es auch, Spiegel einzuklappen oder Lüftungsschlitze zuzukleben. „Das Ganze ist zwar legal, hilft aber dem Kunden und der Umwelt nicht weiter“, sagt deshalb Gall.
Die Verbrauchsdaten werden bisher nach einem festen Verfahren gemessen – dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Dieser soll nächstes Jahr durch ein realitätsnäheres Verfahren (WLTP: Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) ersetzt werden. Dieser ist um ca. 12 km länger, dynamischer und es wird dadurch mehr Leistung gefordert. Statt wie bisher auf 120 Kilometer pro Stunde werde ein Auto dann zum Beispiel auf maximal 131 Kilometer pro Stunde beschleunigt. „Es sind gewisse Verbesserungen zu erwarten, aber nicht automatisch ein Praxiswert, der für jeden passt“, sagt Gall.
Der frühere Abteilungsleiter des Umweltbundesamtes und Industriekritiker Axel Friedrich fordert deshalb weiterreichende Reformen: „Der Verbrauch muss auf der Straße ermittelt werden“, sagte er unserer Zeitung. „Die Werte im Labor zu messen ist völlig sinnlos und eine Veräppelung des Kunden.“
Friedrich sieht die bisherige Praxis als Betrug: Dem Kunden werde etwas verkauft, was er nicht bekommt. Er beschuldigt die Politik, das Thema unter den Teppich zu kehren, und vermutet dahinter den Einfluss der Autoindustrie: „Es gibt keinen politischen Willen, die Dinge anzugehen.“ Das Kraftfahrtbundesamt forderte er auf, alle Daten offenzulegen, die es im Zuge des Diesel-Skandals selbst erhoben hat. Dies sei noch nicht geschehen.
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