Der Kampf um drei deutsche Luftfahrtwerke
Das Bietergefecht um das Augsburger EADS-Luftfahrtwerk wird immer heftiger. Aktuell kämpfen noch zwei Interessenten um die drei deutschen Fabriken Augsburg, Varel und Nordenham.
Von Stefan Stahl
Augsburg - Über das Augsburger EADS-Luftfahrtwerk berichten Medien mittlerweile bundesweit. Kein Wunder, wird doch das Bietergefecht um den Standort mit seinen rund 2500 Mitarbeitern immer heftiger. Nachdem sich das baden-württembergische Unternehmen Voith aus dem Pokerspiel um den Kauf der drei EADS-Werke in Augsburg, Varel und Nordenham zurückgezogen hat (wir berichteten), kämpfen nach gegenwärtigem Stand noch zwei Interessenten um diese drei deutschen Fabriken. Hier stehen sich die Bremer Raumfahrt- und Luftfahrtgruppe OHB mit ihrer Augsburger Tochter MT Aerospace und der US-Riese Spirit Aerosystems gegenüber. Die wichtigsten Fakten zu diesem Wirtschaftskrimi:
Warum verkauft EADS überhaupt drei wichtige Standorte?
Das europäische Luftfahrtunternehmen ist in eine tiefe Krise und rote Zahlen geflogen. Aufgrund technischer Probleme kam es wiederholt zu erheblichen Verzögerungen beim Bau des Riesen-Airbus A 380. Das brachte den Konzern finanziell in die Bredouille. Damit nicht genug: Auch das neue Projekt A 350 - ein kleineres Langstreckenflugzeug - musste in der Planungsphase auf Druck der Kunden wiederholt überarbeitet werden. Den Käufern fiel die Neuentwicklung nicht ambitioniert genug aus. Sie forderten, dass die neue Airbus-Maschine wie das amerikanische Konkurrenzprodukt Boeing 787 zu rund 50 Prozent aus leichten und dennoch steifen Kohlefaserverbundwerkstoffen besteht. Die Europäer trugen dem schließlich Rechnung.
Die Entwicklung solcher spritsparender Flieger verschlingt aber Unsummen. Auch deswegen entschloss sich der EADS-Konzern, zu dem der Hauptumsatzbringer Airbus gehört, Werke zu veräußern. Das bringt einerseits Geld. Andererseits verlagert EADS so einen großen Teil des Entwicklungskostenrisikos für das Modell A 350 auf den Erwerber der drei deutschen Werke.
Warum sind Spirit und OHB so heiß auf die Standorte?
Das liegt vor allem an der Chance, in noch stärkerem Maße in die Kohlenstofftechnologie einzusteigen. Nicht umsonst spricht man hier vom "schwarzen Gold des 21. Jahrhunderts". Dieser Markt wird in den kommenden Jahren stark wachsen und verspricht gute Geschäfte nicht nur im Luftfahrtbereich. Auch im Automobilbau kommen zunehmend Kohlefaserverbundwerkstoffe zum Einsatz. Die Region Augsburg ist weltweit eines der Zentren der neuen Technologie. Das EADS-Werk setzt diese Materialien mit großem Erfolg ein. So wurde Boeing auf den bisherigen reinen Airbus-Zulieferer aufmerksam und lässt wichtige Baugruppen wie das Druckschott für den neuen "schwarzen" Wunderflieger 787 in Augsburg fertigen. Die Stadt ist eine der Herzkammern dieser "schwarzen Kunst".
Was fasziniert Spirit am Augsburger Werk?
Das US-Unternehmen ist schon heute der weltweit größte unabhängige Zulieferer für Strukturbauteile in der Luftfahrt. Der früher zu Boeing gehörende Anbieter liefert nicht nur an den US-Riesen, sondern auch in hohem Maße an Airbus, so etwa Flügelkomponenten für das Kreuzfahrtschiff der Lüfte, den A 380 und auch Teile für den kleineren A 320. Die Augsburger Aktivitäten wären eine ideale Ergänzung für die Arbeitspakete der Amerikaner.
Spirit wird übrigens mehrheitlich von der kanadischen Investorengruppe Onex kontrolliert. Die US-Firma ist am Bau aller Boeing-Maschinen beteiligt und hat zuletzt mit mehr als 12 700 Mitarbeitern bei einem Umsatz von 3,21 Mrd. Dollar noch ein Minus eingeflogen. Dieser Betriebsverlust von 56,3 Mill. Dollar (2006) verwundert nicht, muss das Unternehmen doch erhebliche Vorleistungen für die Entwicklung neuer Flugzeuge wie der Boeing-Maschine 787 leisten.
Hinter Spirit steckt mit Onex jedoch ein kapitalkräftiger Finanzier, der bei einem Umsatz von 18,62 Mrd. Dollar einen Gewinn von rund einer Mrd. Dollar erzielte. Onex-Chef Gerald Schwartz gilt als der kanadische Übernahmekönig. Weltweit mehr als 167000 Mitarbeiter arbeiten für das Reich eines der wohlhabendsten Männer dieses Landes. Im vergangen Jahr verdiente er 13,6 Millionen Dollar. Seine Frau ist die Herrin über Kanadas Buchmarkt.
OHB ist dagegen eine kleine Firma. Die Deutschen liefern Teile für Ariane-Raketen und Airbus-Flugzeuge. Um die Chancen zu wahren, muss OHB bald - wie versprochen - einen Investor präsentieren. Die OHB Technology AG wies 2006 einen Umsatz von 163,15 Mill. Euro bei einem Jahresüberschuss von zwölf Mill. Euro aus. Das Unternehmen genießt einen hervorragenden Ruf. Branchenkenner warnen davor, den David zu unterschätzen.
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