Dem Ex-VW-Chef droht eine Haftstrafe in den USA. Angst, dass er ausgeliefert wird, muss der 70-Jährige allerdings nicht haben. Ein Kommentar.
Der frühere Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ist den Amerikanern bisher nicht in die Falle gegangen. Aus seiner Sicht war es klug, auf eine US-Reise zu verzichten. Diesen Fehler hat einer seiner früheren Volkswagen-Kollegen gemacht. So wurde dieser im Zuge der Diesel-Affäre festgenommen. Gleiches droht auch „Wiko“, wie der Manager einst ehrfürchtig in VW-Kreisen genannt wurde.
Doch „Wiko“ ist abgestürzt. Für den einst mächtigsten Auto-Manager Deutschlands gilt die Urlaubsdevise: Besser nach Sylt, bloß nicht der Verlockung Floridas erliegen! Also lieber mal ein Regentag an der Nordsee als Dauer-Wärme in den USA. Oder gleich zu Hause bleiben. Denn in Amerika liegt schon länger ein Haftbefehl gegen den 70-Jährigen vor, wie erst jetzt bekannt wurde. Ihm droht in den USA also eine hohe Freiheitsstrafe.
Ex-VW-Chef Winterkorn spielt auf Zeit
Wie gut, dass Deutschland nicht verpflichtet ist, eigene Staatsbürger wie Winterkorn in die USA auszuliefern. So kann der frühere Volkswagen-Boss weiter darauf hoffen, um eine Haftstrafe herum zu kommen, auch wenn in Deutschland ein Verfahren gegen ihn läuft. Doch viele Prozesse gegen Manager, ob es um die Affären bei Siemens, MAN oder HRE ging, haben gezeigt: Es ist hierzulande schwer, ins moralische Abseits gefallene Konzern-Lenker auch nach langen Ermittlungen juristisch zu packen. Ob Winterkorn jedenfalls in Deutschland Ungemach vor Gericht droht, hängt entscheidend davon ab, inwiefern bei all den Razzien im VW-Umkreis belastende Dokumente sichergestellt werden konnten. So spielt der Manager also auf Zeit und schweigt, was sein gutes Recht ist. Nach wie vor gilt die Unschuldsvermutung.
Doch mit 70 Jahren könnte sich auch ein von sich selbst immer sehr überzeugt wirkender Mann wie „Wiko“ doch noch durchringen, reinen Tisch zu machen – so wie früher, als unter seiner Leitung bei Volkswagen Fehlteile auf einen Schadenstisch gelegt und die Verantwortung dafür gnadenlos benannt wurde. Sich die Wahrheit einzugestehen, kann befreiend wirken. Es käme aber einem Wunder gleich, wenn ein so detailversessener Mann wie Winterkorn, der jede Schraube in einem VW Golf gekannt haben soll, ausgerechnet nichts vom Abgas-Betrug gewusst hätte.
Winterkorn gilt als extrem detailversessen
Die Wahrscheinlichkeit scheint auf alle Fälle nicht gering zu sein, dass der Techniker irgendwann von den Manipulationen der Abgas-Software erfahren und diese auch geduldet hat. Den kolossalen Fehler müsste sich Winterkorn eingestehen und damit auch Last von heutigen VW-Managern nehmen.
Wie detailversessen Winterkorn ist, zeigt ein YouTube-Video von einer Auto-Ausstellung. Da besteigt der Schwabe ein Hyundai-Fahrzeug, rüttelt wild am Lenkrad und ruft: „Da scheppert nix! Wir können‘s nicht! Warum kann’s der?“
Es wird Zeit, dass es Winterkorn einmal richtig mit der Wahrheit scheppern lässt.
Die Diskussion ist geschlossen.