Ist Achleitner das Problem der Deutschen Bank?
Das Scheitern der Fusion mit der Commerzbank ist ein Rückschlag für den Aufsichtsrat. Bank-Chef Sewing geht dagegen gestärkt aus dem Fusionszirkus hervor.
Als klar war, dass nichts aus der Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank wird, packte Chefaufseher Paul Achleitner seine Reaktion in kurze Worte. Diese wirken leicht bizarr, wenn nicht scheinheilig. Denn Achleitner soll neben SPD-Finanzminister Olaf Scholz einer der Treiber der Gespräche gewesen sein. „So richtig die Entscheidung des Vorstands war, die Möglichkeit eines Zusammenschlusses mit der Commerzbank gründlich zu prüfen, so richtig ist die Entscheidung, diese nicht weiterzuverfolgen“, ließ Achleitner mitteilen. In Wirklichkeit muss für ihn das Platzen der Fusion ein Rückschlag sein. Längst diskutieren Fachkreise, ob Achleitner nicht das eigentliche Problem der Deutschen Bank ist. Gestärkt könnte dagegen Bank-Chef Christian Sewing aus dem Fusionszirkus hervorgehen. Er war Berichten zufolge am wenigsten vom Zusammenschluss überzeugt.
Paul Achleitner, 62, gilt als einer der führenden „Dealmaker“ in Deutschland. Sein Lebenslauf liest sich, als wäre er auf Erfolg gepolt: Geboren in Linz als Sohn einer Hausfrau und eines Bankangestellten studierte und promovierte er an den Eliteunis St.Gallen und Harvard. Seine Karriere bei der Investmentbank Goldman Sachs ist steil. Der Börsengang der Bank machte ihn als Partner zum Multimillionär, später wechselte Achleitner als Finanzchef zur Allianz. Er gilt als bestens verdrahtet, Grünen-Politiker Joschka Fischer ist Taufpate eines seiner Kinder. Verheiratet ist er mit Ann-Kristin Achleitner. Die Wirtschaftsprofessorin ist ebenfalls Aufsichtsrätin mehrerer Konzerne.
Paul Achleitner: Börsenkurs der Deutschen Bank brach in seiner Amtszeit ein
Paul Achleitner übernahm die Deutsche Bank als Chefaufseher 2012 in kränkelndem Zustand. Nach dem Ausscheiden von Spitzenmanager Josef Ackermann plagten bald Skandale und Prozesse das Institut. Unter Achleitner ist die Bank regelrecht abgemagert. Der Börsenkurs sank von rund 30 Euro im Jahr 2012 auf derzeit 7,30 Euro. Die Bank schrieb zeitweise einen Milliardenverlust, noch heute ist der Gewinn weit entfernt von der Glanzzeit vergangener Jahre. „Der Minus-Mann – Mehr Soll als Haben“, titelte kürzlich das Magazin „Bilanz“ über Achleitner. Dieser hat als Aufsichtsrat schließlich den Kurs über Jahre mitgetragen.
Personell lief es nicht günstig: Achleitner hielt lange an Anshu Jain fest, der die Bank zwischen 2012 und 2015 zusammen mit Jürgen Fitschen führte. Jain setzte stark auf das Investmentbanking. Doch hier war es seit der Finanzkrise ungleich schwerer, Geld zu verdienen. Trotzdem strich die Investmentbank-Elite Millionen-Gehälter ein. Nach Jains Abgang hievte Achleitner den Briten John Cryan an die Spitze. Der Sanierer räumte zwischen 2015 und 2018 viele Altlasten aus dem Weg. Eine überzeugende Strategie für die Zukunft zu definieren, schaffte Cryan aber nicht. Jetzt, nachdem die Deutsche Bank immer mehr Vertrauen der Investoren verloren hatte, soll es der Westfale Sewing richten.
Sewing lotete in den vergangenen Wochen zusammen mit Commerzbank-Chef Martin Zielke die Chancen eines Zusammenschlusses aus. Die fusionierte Bank sollte sich leichter finanzieren können – und rentabler sein. Doch das Ergebnis war frustrierend, wie es Klaus Nieding sieht, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Es gab zu viele überlappende Kunden- und Geschäftsfelder, zu viele Baustellen aus der Vergangenheit“, sagt Nieding. „International wäre die fusionierte Bank trotzdem kein Primus geworden.“
Fachleute fragen sich deshalb, ob Achleitner noch der richtige Mann als Chefaufseher ist – oder ob er nicht die Fusion als Gelegenheit nutzen wollte, sich zurückzuziehen. Schon einmal hatte er sich mit der Deutschen Bank die Finger verbrannt: In seiner Zeit bei der Allianz, im Jahr 2000, entwickelte er laut Berichten den Plan einer Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank. Doch die Reaktionen waren skeptisch, der Plan platze.
Start mit einer Banklehre: Christian Sewing gilt als bodenständig
Im Vergleich zum Strippenzieher Achleitner wirkt Christian Sewing bodenständig. Der 49-Jährige begann seine Karriere bei der Deutschen Bank mit einer Lehre in einer Filiale in Bielefeld. Seither hat er – bis auf einen kurzen Ausflug zu einem genossenschaftlichen Institut – für die Frankfurter gearbeitet. Beständigkeit, Heimatverbundenheit werden ihm nachgesagt. Noch immer soll der Vater von vier Kindern Kontakte zu seinem alten Tennisklub nahe Bielefeld pflegen. Als Sewings Stärke gilt, dass er die Bank und ihre Mentalität aus dem Effeff kennt. Nach der Amtsübernahme 2018 setzte er viel daran, die Kosten in den Griff zu bekommen. Zugleich forderte er die Angestellten auf, ihre „Jägermentalität“ wiederzufinden. Für das Erste scheint seine Strategie aufzugehen: Die Bank wies im ersten Quartal einen größeren Gewinn aus, als Analysten erwarteten.
Professor Sascha Steffen: „Sewing hat seine Hausaufgaben gemacht“
Fachleute beurteilen Sewings Arbeit deshalb positiv: „Die Prozesse, die Christian Sewing angestoßen hat, greifen“, lobt Sascha Steffen, Finanzprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management. „Er hat die Hausaufgaben gemacht, die er sich vorgenommen hat“, sagte der Fachmann unserer Redaktion. „Es ist ein positives Bild, das man von Herrn Sewing zeichnen muss. Er hat wenig Schuld an dem, was in den Vorjahren passiert ist.“
Kann Sewing die Bank zurück auf die Erfolgsspur führen? Nur Kosten zu senken, wird nicht reichen, meint der Forscher. Um zu wachsen, müssten auch die Einnahmen steigen. Hier hätten derzeit alle europäischen Großbanken Probleme. „Sewing muss die Frage beantworten, auf welche Geschäftsbereiche er sich fokussiert und wie er Geld verdienen will“, sagt Steffen.
Die Lage der Bank sei aber nicht leicht, erklärt der Finanzforscher: Die Anleger sind skeptisch. An der Börse werde die Deutsche Bank gerade einmal mit rund 25 Prozent ihres Buchwerts bewertet. Daneben schweben mögliche Prozesse wie ein Schwert über dem Institut. Fachleute machen sich zudem Sorgen um die niedrige Kapitalisierung europäischer Banken. In den USA hätte die Politik in der Finanzkrise entschlossener reagiert. Dort schreiben die Banken heute satte Gewinne.
Wie also geht es weiter für das einst stolze Frankfurter Institut? Für die Tochter DWS sucht Sewing offenbar einen Partner. Im Gespräch ist auch die Schweizer UBS. Ansonsten will er es anscheinend aus eigener Kraft schaffen.
Wie sagte Sewing doch im Februar zur Bilanzvorlage? „Wir haben es selbst in der Hand.“
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