Schmiergeld und jede Menge Streit: Zoff ist geil
Der Umsatz bricht ein, Mitarbeiter sollen Schmiergeld kassiert haben und dann zoffen sich auch noch die Eigentümer in Ingolstadt in einer immer grotesker werdenden Schlammschlacht.
Mit Werbebotschaften wie „Geiz ist geil“ und „Ich bin doch nicht blöd“ hat Media-Saturn vor Jahren einen aggressiven Preiskampf um Flachbildschirme und Waschmaschinen eröffnet. Noch vor zwei Jahren hat Media-Markt mit allem Pomp seinen 30. Geburtstag gefeiert. Bei den legendären Weihnachtsfeiern für die Mitarbeiter standen schon mal A-ha oder Bryan Adams auf der Bühne. Doch diese Zeiten des Übermuts sind vorbei, Media-Saturn, der größte europäische Elektronikhändler, steckt in seiner größten Krise.
In der Ingolstädter Firmenzentrale haben sie zurzeit gleich an drei Großbaustellen zu kämpfen: Der Umsatz ist eingebrochen, vor allem wegen des verschlafenen Online-Geschäfts. Die Mehrheitsgesellschafterin Metro zofft sich öffentlichkeitswirksam vor Gericht mit den beiden Gründern Erich Kellerhals und Leopold Stiefel um die Macht im Unternehmen. Und dann sollen noch drei hochrangige Mitarbeiter Schmiergelder kassiert haben.
Jahrelang war Media-Saturn das Aushängeschild der Metro Gruppe. Die Ingolstädter Tochter lieferte Erfolgsmeldungen am laufenden Band. Der Konzern überzog ganz Europa mit seinen Märkten und expandierte im vergangenen Jahr gar nach China. Doch es war abzusehen, dass diese Strategie nicht lange gut gehen kann. Denn die Elektronikkette setzte allein auf den stationären Handel und ignorierte das Online-Geschäft komplett.
Unternehmen rutscht ins Minus
Die Kunden kauften bald lieber bei Internet-Händlern wie Amazon, das war nicht nur bequemer, sondern oft auch billiger. Bereits das Weihnachtsgeschäft im vergangenen Jahr lief schlecht. Im zweiten Quartal 2011 rutschte das Unternehmen gar ins Minus und schrieb einen Verlust von 44 Millionen Euro. Erst in diesem Jahr kam der Einstieg ins Online-Geschäft: Im Juli kauften die Ingolstädter den Internet-Händler Redcoon, im Oktober geht saturn.de an den Start und im kommenden Jahr folgt Media-Markt. 2015 will Media-Saturn fünf Milliarden Euro Umsatz im Netz erzielen. Das Unternehmen glaubt fest an dieses Ziel: „Wir geben zu, dass wir länger gebraucht haben, aber wir glauben nicht, dass wir zu spät dran sind“, so eine Sprecherin.
Für Metro sind die Schuldigen für die wirtschaftliche Misere klar: die beiden Gründer Leopold Stiefel und – vor allem – Erich Kellerhals. Der 71-Jährige ist in den Augen von Metro-Chef Eckhard Cordes der große Bremser, gerade beim Online-Geschäft. Die Entwicklungen auf der jüngsten Gesellschafterversammlung scheinen Cordes zu bestätigen. Kellerhals hat dort den Kauf zweier kleinerer Internetfirmen abgelehnt mit der Begründung, das Unternehmen solle sich nicht verzetteln.
Lebenswerk in Gefahr
Diese Macht besitzt Kellerhals, auch wenn er sich schon längst als Geschäftsführer zurückgezogen hat. Obwohl die Metro AG rund 75 Prozent der Anteile von Media-Saturn besitzt, hat der Konzern quasi nichts zu sagen. Denn Kellerhals und Stiefel haben sich beim Einstieg der Metro AG vor mehr als 20 Jahren (damals noch Kaufhof AG) und deren Tochter Saturn eine 80-Prozent-Mehrheit bei wichtigen Entscheidungen zusichern lassen. Damit geht ohne eine Zustimmung von Kellerhals, dessen Familie noch immer gut 21 Prozent von Media-Saturn gehören, nichts. Dieses weitreichende Vetorecht wollte Cordes mit der Einrichtung eines Beirats aushebeln, bei dem nur noch eine einfache Mehrheit nötig ist. Kellerhals hatte dagegen geklagt. Er sieht sein Lebenswerk in Gefahr. Metro droht nun eine herbe Schlappe vor Gericht. Bei einem ersten Verhandlungstermin Mitte Juli am Landgericht Ingolstadt hatte der Richter zu verstehen gegeben, dass die Klausel wohl rechtens ist. Eine Entscheidung soll im Oktober fallen.
Am vergangenen Wochenende hat der sonst so öffentlichkeitsscheue Kellerhals erneut nachgelegt in dieser Schlammschlacht zwischen Düsseldorf und Ingolstadt. In einem Interview mit der Welt am Sonntag fordert er die Ablösung von Cordes. Und er bringt neue Investoren ins Spiel. Obwohl beide Seiten vehement bestreiten, ihre Anteile verkaufen zu wollen, sagt Kellerhals: „Natürlich machen wir uns auch Gedanken darüber, ob es mit einem neuen Gesellschafter weniger Probleme gäbe. Wir haben ja bereits Anfragen von Investoren.“
Staatsanwaltschaft ermittelt bundesweit gegen 16 Beschuldigte
Mitten hinein in die wirtschaftliche Krise und den Eigentümer-Zwist platzte dann auch noch ein Korruptionsskandal. Im Juli durchsuchte die Staatsanwaltschaft Augsburg Büros in der Ingolstädter Zentrale. Drei hochrangige Mitarbeiter, darunter ein Mitglied der neunköpfigen Geschäftsführung, sollen Schmiergelder im jeweils sechsstelligen Bereich kassiert haben. Als Gegenleistung durfte ein Geschäftsmann in den Märkten jahrelang DSL- und Handyverträge verkaufen. Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft bundesweit gegen 16 Beschuldigte. Die Vorwürfe: Bestechung und Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall. Das Unternehmen hatte die Ermittlungen nach internen Untersuchungen selbst ins Rollen gebracht.
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