Weil Steinböcke so gerne klettern...
Stolz schwellt ihm die Brust. Die aufrechte Haltung signalisiert Selbstbewusstsein. Da kann es Bindfäden regnen, sibirische Kälte das Land überziehen oder Düsenjets über die Dächer donnern: der Steinbock bleibt standhaft. Wie kommt dieses Tier, in kräftiges Rot getaucht, bloß an diese Hausfassade?
Von unserem Redaktionsmitglied Andreas Frei
Affing-Mühlhausen
"Der Steinbock steht früher auf als andere", sagt Dieter Wagner. "Er strebt an die Spitze, ist sowohl teamorientiert als auch Einzelgänger, ist sehr stolz und edel. Das alles passt zu uns." Weil die lateinische Übersetzung für Steinbock "Ibex" lautet, prangt am Empfangsgebäude des Softwarehauses in Affing-Mühlhausen (Landkreis Aichach-Friedberg) unterhalb des Firmensymbols die Aufschrift "Ibex AG". Aber wie kommt deren Vorstandsvorsitzender Dieter Wagner dazu, sein Unternehmen mit mittlerweile rund 180 Beschäftigten (davon etwa 130 am Stammsitz) als "edel" zu bezeichnen?
Das ist das Stichwort für den 45-Jährigen, seine Geschäftsidee zu beschreiben. Ibex bietet Software-Lösungen verschiedener Art für Unternehmen an. Die "Rohstoffe" (vom Gehäuse bis zum Netzwerk) bezieht der Dienstleister von international renommierten Computer-Herstellern wie Compaq (einem Unternehmen, das seit Mai zu HP gehört) oder Cisco. Die Ibex AG schmiedet diese zu einem "Gesamtwerk" zusammen, entwickelt und programmiert die Software, setzt Baustein auf Baustein - und dies ausschließlich nach individuellen Wünschen. "Wir machen nichts von der Stange", sagt Vorstandsmitglied Dieter Krauss. So entstehen Großrechner mit einer persönlichen Ibex-Handschrift. Vorstandschef Wagner sagt dazu: "Wir veredeln Computer-Produkte."
Zwölf der 30 an der Frankfurter Börse notierten Dax-Unternehmen, so Wagner, nehmen die Dienste des Softwarehauses mittlerweile in Anspruch. Dazu zählen Telekom, Adidas, DaimlerChrysler und Volkswagen. Auf einen Kunden ist Ibex besonders stolz: die Deutsche Flugversicherung. Seit mehreren Jahren richten die Schwaben auf deutschen Flughäfen Fluglotsenarbeitsplätze ein. Mit Erfolg: Auf dem Inlandsmarkt ist Ibex nach Angaben Wagners inzwischen drittgrößter Anbieter. Und das ist noch nicht alles. "Business Services" nennt das Unternehmen seinen großen Bereich Kundenbetreuung. Ein Geschäftsfeld, das Zukunft hat. "Bald werden sich Unternehmen nicht mehr durch ihre Produkte, sondern ihre Dienstleistungen voneinander unterscheiden", glaubt Wagner. Deswegen seien seine Außendienstmitarbeiter (Ibex hat neben dem Stammsitz Mühlhausen bei Augsburg Niederlassungen in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Bamberg) auch zur Stelle, "wenn mal ein 50-Euro-Kabel kaputtgeht" (Wagner) und nicht nur ein Großauftrag ins Haus steht.
Es gab Zeiten, da waren solche Kapazitäten allenfalls Wunschtraum. Mit vier Mitarbeitern startete Wagner, zuvor bei Digital Equipment in München beschäftigt, im Jahre 1993. Mit dem Verkauf gebrauchter Computerware - heute nur noch ein kleiner Teil der Geschäftstätigkeit - stieß der Augsburger in eine Marktlücke hinein. Wagner: "Wir sind damals auf der Existenzgründerwelle mitgeschwommen." Dabei sei anfangs nicht alles nach Wunsch gelaufen. "Chaotisch" sei es manchmal zugegangen, erinnert er sich. Drei Jahre später, nun mit Vorstandskollege Dieter Krauss an seiner Seite, schlug er den Weg zum Rundum-Dienstleistungshaus für die Informations- und Kommunikationsbranche ein. Mit erstaunlichem Erfolg: Zwischen 1998 und 2000 vervierfachte sich der Umsatz nahezu auf 122 Millionen Euro.
2001 erlöste Ibex 108,4 Millionen Euro bei einem Vorsteuergewinn von 6,7 Millionen Euro. Anlass für das bayerische Wirtschaftsministerium, die Firma in diesem Jahr in den erlesenen Kreis der "Bayerns best 50"-Preisträger aufzunehmen.
Es liegt im Naturell desSteinbocks, zu klettern, auch in unwegsamem Gelände nach oben zu streben. Die Ibex AG konnte diesem Anspruch bislang gerecht werden. Selbst im laufenden Jahr, in dem die Gesamtbranche teilweise empfindliche Einbußen einstecken muss, erwartet Ibex ein Umsatzwachstum von 18 Prozent.
Die Software-Firma hat noch viele Ziele. Die Produktpalette sei noch lange nicht ausgereizt, sagt Krauss. Deswegen suchen die Vorstände nach einem Kooperationspartner. Dieser müsse ein Systemhaus sein, "das auf jeden Fall kleiner ist als Ibex", so der Vertriebs- und Marketingexperte. Auch eine Übernahme sei möglich.
Aus den Augen hat das Unternehmen auch den Börsengang noch nicht verloren. Dieser war ursprünglich für den 31. Mai 2000 vorgesehen, ist dann jedoch wegen der unsicheren Marktlage abgesagt worden. "Das hat uns viel Geld gekostet", räumt Wagner ein. Derzeit sei das Thema nicht aktuell. Wen wundert's: Steinböcke wollen ja klettern, und dazu lädt die Börse nicht gerade ein (auch wenn die vergangenen Tage eine Erholung brachten). So bleibt Ibex-Gründer Wagner nur, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten und bis dahin gegen das verbreitete Gerücht anzukämpfen, er habe sich den Steinbock deswegen als "Wappentier" ausgesucht, weil seine Frau dieses Sternzeichen trägt. Dabei hat er diese Geschichte doch selbst erzählt - und dabei verschmitzt gelächelt.
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