Energieminister der EU beschließen Gaspreisdeckel
Die 27 EU-Energieminister einigten sich am Montag darauf, dass der Gaspreis eine Obergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde nicht überschreiten darf.
Würde Deutschland am Ende eine Schmach erleben? Beobachter warnten im Vorfeld vor einem „Supergau“. Als „nicht wünschenswert“ bezeichnete dagegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag die Möglichkeit, bei einem Votum über den europäischen Gaspreisdeckel überstimmt zu werden. Seine Aussage durfte ohne Zweifel als Euphemismus bewertet werden. Denn dass der wirtschaftsstärkste Mitgliedstaat bei einer wichtigen Frage isoliert dasteht und eine Niederlage kassiert, kommt selten bis nie vor. Doch die Auseinandersetzung um einen europäischen Gaspreisdeckel erhitzte monatelang die Gemüter – und spitzte sich zuletzt zu. Am frühen Abend gab es dann Entwarnung: Die EU einigte sich auf eine Obergrenze für Großhandelspreise für Gas.
Damit sollen die EU-Staaten künftig die Möglichkeit haben, in den Markt einzugreifen. Die Entscheidung wurde schlussendlich von Berlin mitgetragen. „Wir haben jetzt sehr viele Instrumente definiert, die die Gefahr eines unbedachten Effekts deutlich reduzieren“, erklärte Habeck (Grüne) das Ende des deutschen Widerstands und verwies darauf, dass der Mechanismus wieder ausgesetzt werde, wenn man etwa rationieren müsse oder der Handel zurückgehe. Außerdem gebe es „eine lange Phase der Beobachtung“. Der Mechanismus soll erst ab dem 15. Februar in Kraft treten. „Sollte sich herausstellen, dass ein Markteingriff nicht opportun ist, dann hoffe ich, dass wir die politische Kraft finden, das auch noch mal in Frage zu stellen“, so Habeck.
Vergangenen Donnerstag hatten die Staats- und Regierungschefs ihre Energieminister damit beauftragt, das Instrument – inklusive der strittigen Details – am Montag zu verabschieden.
Gaspreisdeckel greift, wenn Gas drei Tage lang teurer ist als 180 Euro pro Megawattstunde
Dementsprechend hoch war der Druck bei dem Treffen. Zur Not, so hieß es, wollte man den Deckel auch ohne Deutschlands Billigung einführen. Es wäre eine qualifizierte Mehrheit notwendig gewesen, also 15 der 27 EU-Staaten hätten zustimmen müssen, die für mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung stehen. Den Affront konnte die Bundesregierung nun aber vermeiden.
Dem Last-Minute-Kompromiss zufolge wird der Mechanismus ausgelöst, wenn der Preis an der wichtigsten Gashandelsbörse TTF drei Tage lang über 180 Euro pro Megawattstunde liegt. Zuletzt bewegte sich der Gaspreis an der TTF um 110 Euro pro Megawattstunde. Die Regelung würde lediglich Großkunden betreffen, nicht die Endverbraucher.
Die vereinbarte Lösung hatte kaum noch etwas zu tun mit dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission, mit dem diese vor einigen Wochen den Ärger im Kreis der Gemeinschaft eigentlich einzudämmen versucht hatte. Mit dem sogenannten Marktkorrektur-Mechanismus sollte es dem Plan zufolge möglich sein, in Phasen „außerordentlich hoher Gaspreise“ in den Markt einzugreifen und den Preis für den Brennstoff zu begrenzen, der an der TTF in den Niederlanden verkauft wird. Den Deckel-Befürwortern ging das Instrument aber nicht weit genug, weshalb der Mechanismus ihrer Ansicht nach unwirksam im Kampf gegen die hohen Preise wäre. Manche sprachen von einem schlechten Witz. Denn eine Bedingung für das Auslösen war, dass der Preis für Erdgas zwei Wochen lang über 275 Euro pro Megawattstunde hätte liegen müssen.
Deutschland stand dem Gaspreisdeckel in der EU kritisch gegenüber
Damit wäre selbst im August, als die Preise in Europa geradezu explodierten, der Mechanismus nicht aktiviert worden. Im Sommer hatten sie einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde erreicht. Bei der Kommissions-Version handelte es sich aber nach einem Kompromiss nach dem Geschmack von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der den Deckel so hoch angelegt sehen wollte, „dass er niemals relevant wird“. Doch der Großteil der anderen Mitgliedstaaten rebellierte. Mit Erfolg. Vorneweg Italien, Frankreich, Griechenland, Belgien und Polen hatten bis zuletzt vehement auf einen Gaspreisdeckel beharrt.
Deutschland dagegen äußerte die Sorge, dass durch das Instrument weltweite Gasanbieter den Europäern keine Energie mehr verkaufen und ihre Schiffe mit Flüssiggas vor europäischen Häfen abdrehen lassen könnten. Wäre die Versorgungssicherheit noch gewährleistet? Die Deutschen, aber auch die Niederländer hatten Bedenken – und scheinen sie weiterhin zu haben. Man müsse die Preise runterbringen, sagte Habeck gestern. „Wir wissen nur aus bisherigen Markteingriffen, dass wir sehr vorsichtig sein müssen, nicht das Gute zu wollen und das Schlechte auszulösen.“ Übersetzt hieß das so viel: Man hat Angst, durch einen unbedachten Fehler dafür zu sorgen, dass die Preise auf einmal höher werden, weil die Märkte auf die Intervention negativ reagieren. Ob es wirklich soweit kommt, könnte sich schon nächstes Jahr zeigen.