Profitieren Zuschauer vom neuen Netflix-Boom?
Der Streaming-Riese Netflix hat mit werbefinanzierten Angeboten und restriktiven Maßnahmen Neues probiert. Anleger sind begeistert – Kunden auch?
Netflix, Amazon Prime Video, Disney+, Apple TV+ und noch viele weitere. Die Liste der Streaming-Anbieter ist lang und das Angebot vielfältig. Beschränkte sich die Auswahl vor ein paar Jahren noch auf wenige Große, scheint sich der Markt immer weiter zu zerstückeln. So sind die Marktanteile des Streaming-Pioniers Netflix weltweit von einer Monopol-ähnlichen Stellung Ende der 2000er auf etwa 40 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Konkurrenz belebt das Geschäft und am Ende profitieren die Kunden – so lautet eine bekannte Weisheit. Doch stimmt das auch in diesem Fall?
Netflix ist in Deutschland seit September 2014 verfügbar. Damals kostete das teuerste Abo noch 11,99 Euro im Monat. Seitdem wurde der Preis mehrmals erhöht und beträgt mittlerweile 17,99 Euro für die Premium-Variante. Dafür gibt es neben dem Standard-Abo für 12,99 Euro nun auch das Basis-Abo mit Werbung für 4,99 Euro. Der geringere Umsatz wird also durch Werbeeinnahmen ausgeglichen. Dieses Modell bietet Netflix in den USA bereits seit einigen Monaten an – mit Erfolg. Die Zahl der Abonnenten dieser Variante ist im vergangenen Quartal um 70 Prozent gestiegen, geht aus dem Quartalsbericht des Streaming-Dienstes hervor. Doch wegen Autoren- und Schauspielerstreiks in Hollywood, plant Netflix für 2024 wohl wieder eine Preiserhöhung, berichtet das Wall Street Journal.
Streaming-Markt wächst weiter, doch der Konkurrenzkampf wird größer
Zudem bekämpft Netflix seit einigen Monaten auch das Teilen von Passwörtern. So ist es nicht mehr möglich, dass mehrere Leute, die nicht in einem Haushalt wohnen, das gleiche Konto benutzen – außer sie zahlen dafür. Eine sogenannte Zusatzmitgliedschaft kostet monatlich 4,99 Euro und scheint sich für den US-Konzern zu lohnen. Während die Nutzerzahlen 2022 erstmals in der Unternehmensgeschichte sanken, ist die Anzahl der zahlenden Netflix-Abonnenten 2023 wieder gestiegen und beläuft sich auf circa 247 Millionen.
Wie passen verlorene Marktanteile und steigende Nutzerzahlen also zusammen? "Streaming wächst insgesamt. Doch auch der Wettbewerb nimmt zu", erklärt Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft. Das bekommen auch andere Anbieter zu spüren. Im dritten Quartal 2023 sank die Zahl der weltweiten Disney+ Abonnenten zum dritten Mal in Folge auf 146 Millionen. Dennoch: "Streaming gilt als Zukunftsgeschäft", sagt Rusche. Der Umsatz im weltweiten Markt für Video-Streaming soll laut Prognosen der Statista-Marktforschung für das Jahr 2023 voraussichtlich 90 Milliarden Euro betragen und bis 2027 auf knapp über 130 Milliarden Euro ansteigen.
Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Netflix nach wie vor knapp 14 Milliarden Bruttoschulden hat und noch aus diesen herauswächst. Zwar hat der Konzern dank des Streaming-Booms in den vergangenen Jahren Gewinne gemacht, seine Schulden aber im Vergleich zu 2020 nur um etwa fünf Prozent reduziert. "Streaming ist ein Modell mit hohen Fixkosten und geringen variablen Kosten", erklärt Rusche. So sei es teuer, die nötige technische Infrastruktur und eine Marke aufzubauen, sowie genügend Inhalte anzubieten. Die Kosten für die Streams seien hingegen vernachlässigbar, weil Strom und Bandbreite nicht auf den Streaminganbieter entfallen.
Experte: Günstigere Streaming-Angebote für Kunden unwahrscheinlich
"Die Idee ist nun, genügend Abonnements zu verkaufen, damit diese Kosten wieder reingeholt werden und gleichzeitig genug Geld für neue Inhalte zur Verfügung steht. Je mehr Abonnements, desto einfacher ist dies und desto mehr Geld ist für Inhalte verfügbar", sagt Rusche. Vor allem im Bereich der Inhalte musste Netflix in den vergangenen Jahren viel investieren, setzte zuletzt knapp die Hälfte seines Geldes für Content ein. Ein vergleichsweise hoher Anteil. Der Grund: Viele Filmstudios zogen ihre Produktionen von Netflix ab und starteten eigene Streaming-Dienste.
Rusche geht davon aus, dass der Markt nicht ewig wachsen wird und sich die Unternehmen im Kampf um die Gunst der Kunden entscheiden müssen: "Entweder sie suchen sich eine Nische oder sie versuchen es über hohe Abonnementzahlen wie Netflix. Dazu müssten sie jedoch Netflix gefährlich werden und Marktanteile abnehmen, damit die Skaleneffekte ausgenutzt werden können." Er prognostiziert, dass sich einige große Anbieter auf dem Streaming-Markt durchsetzen werden. In naher Zukunft werde weiter mit Inhalten um Kunden geworben. "Mittel- bis langfristig werden sich jedoch einige Unternehmen wieder vom Markt verabschieden, andere werden gemeinsame Angebote machen und Preise können steigen", sagt Rusche. Günstigere Angebote sind also unwahrscheinlich.
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