Der drohende Krieg um Wasser
Die Wasservorräte auf der Erde schwinden dramatisch. Die Weltbevölkerung aber wächst. Es drohen große Konflikte. Deshalb suchen Experten in Istanbul nach Lösungen. Die Zeit drängt. Von Andreas Frei
Von Andreas Frei
Augsburg/Istanbul Nennen wir unseren Durchschnittsdeutschen Karl Maier. Herr Maier ist ein reinlicher Mensch: Er duscht regelmäßig, putzt zweimal täglich die Zähne, lässt Wasch- und Geschirrspülmaschine laufen und stellt sich - weil er ja emanzipiert ist - auch an den Herd.
Am Ende des Tages hat Herr Maier 126 Liter Wasser verbraucht: unter anderem 40 für die Körperpflege, über 20 für Wäsche und Geschirr und immerhin vier Liter zum Kochen. Das ist Durchschnitt, stellt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fest.
Zwei Schwimmbecken für einen Europäer
In den Ohren der afrikanischen Besucher des Weltwasserforums, das derzeit mit rund 20 000 Fachleuten in Istanbul stattfindet, klingt das nach purer Verschwendung. Erst recht, wenn man noch eine Zahl ins Feld führt: Nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur verbraucht jeder Europäer im Schnitt 5300 Kubikmeter Wasser pro Jahr - eine Menge, die ungefähr dem Fassungsvermögen von zwei olympischen Schwimmbecken entspricht.
Dabei sind Karl Maier und die anderen gut 80 Millionen Verbraucher in Deutschland global betrachtet gar nicht mal die "Hauptsünder". Gerade einmal neun Prozent des gesamten Verbrauches, so der BDEW, fließen aus den Wasserhähnen der Privathaushalte. Allein 64 Prozent benötigen die Wärmekraftwerke, 23 Prozent die Industrie und vier Prozent die Landwirtschaft.
Das Problem daran ist: Sollten die Industrieländer weiterhin so sorglos mit Wasser umgehen, drohen weltweit Konflikte ungeahnten Ausmaßes. Darüber herrscht Einigkeit unter den Experten und Regierungsvertretern auf dem 5. Weltwasserforum - einer riesigen Konferenz, die nur alle drei Jahre stattfindet und von heftigen Protesten durch Umwelt-Aktivisten begleitet wird.
Die Wortwahl der Fachleute ist drastisch. Schon bald drohten Flüchtlingsströme aus Krisengebieten und Konflikte um schwindende Ressourcen, sagen sie. Im Klartext: Lösten im 20. Jahrhundert noch vor allem der Streit um nationale Grenzen oder Ölfelder Kriege aus, könnten es nun religiöse Konflikte und vor allem Wasservorräte sein.
Die Unesco rechnet schon in vier Jahren mit erheblichen Problemen bei der Trinkwasser-Versorgung von rund vier Milliarden Menschen. Bereits jetzt haben mehr als eine Milliarde Menschen kein sauberes Trinkwasser. Im Jahr 2075 könnten bis zu sieben Milliarden Menschen in Gebieten mit chronischem Wassermangel leben. Mit einfachen Hinweisen versuchen die Experten auf die Folgen hinzuweisen, wenn die Zahl der Menschen und ihr Lebensstandard weiter steigen - während sich die Trockengebiete als Resultat des Klimawandels ausdehnen. Ein Beispiel: Auf dem Esstisch erscheint ein Kilo Fleisch als handliches Stück. Doch für die Produktion werden zwischen 6000 und 20 000 Liter Süßwasser verbraucht. Ein Aha-Erlebnis, das die Menschen zum Sparen bewegen soll.
"In der Landwirtschaft bieten sich die größten Sparpotenziale", glaubt Oktay Tabasaran, Generalsekretär der Veranstaltung. Deshalb ist das Weltwasserforum auch Bühne für technische Entwicklungen aus aller Welt, mit deren Hilfe Wasser eingespart werden kann. Viele Experten drängen zur Eile.
Umstrittene Staudämme im Gastgeberland
Staaten wie die Türkei setzen darauf, mehr Staudämme zu bauen und damit Süßwasser auf ihrem Gebiet zurückzuhalten. So soll Energie aus Wasserkraft erzeugt und zusätzliches Land bewässert werden. Doch die Projekte sind umstritten, weil sie in die Natur eingreifen, wichtige Siedlungsgebiete überfluten und den Anrainern großer Flüsse das Wasser abgraben können. Wie passend, dass die Konferenz ausgerechnet in Istanbul stattfindet.
Und noch ein Problem schreit nach Lösung: Selbst in der Europäischen Union gehen etwa 15 Prozent des Wassers schlichtweg verloren - durch Diebstahl oder undichte Leitungen. Im Gastgeberland Türkei verschwindet sogar ein Viertel des Wassers auf diese Art.
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