Prozess: Nach einem Faustschlag ist der Unterkiefer gebrochen
Ein 20-Jähriger gibt vor dem Aichacher Gericht einen Faustschlag zu. Er bestreitet aber, dass er schwere Verletzungen verursacht hat. War alles ganz anders?
Der Unterkiefer eines jungen Mannes aus Aichach war gebrochen, im Gesicht hatte er weitere Frakturen. Verursacht haben soll das ein 20-Jähriger aus Aichach. Beide waren im April vergangenen Jahres handgreiflich aneinander. Der 20-Jährige muss sich deshalb derzeit wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines verbotenen Gegenstandes vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Aichach verantworten.
Neben ihm auf der Anklagebank saß ein 23-jähriger Aichacher wegen Mittäterschaft. Er soll bei dem Vorfall, so die Anklageschrift, „kampfbereit“ danebengestanden, in die Auseinandersetzung aber nicht eingegriffen haben.
Hat der 20-Jährige unvermittelt mit dem Schlagring zugeschlagen?
Unbestritten ist, dass der 20-Jährige und der junge Mann, der damals in Aichach wohnte, eine Auseinandersetzung hatten. Wie die verlief, darüber gibt es allerdings verschiedene Versionen. Laut Anklageschrift hatte sich der 20-Jährige aggressiv gegenüber dem jungen Mann verhalten. Mit den Worten, dass dieser sich in seiner Straße aufhalte, habe er dem jungen Mann unvermittelt mit der Faust samt Schlagring ins Gesicht geschlagen, hieß es da. Danach sei ihm der Angeklagte mehrmals mit dem Fuß gegen das rechte Bein getreten. Der 23-Jährige daneben habe einen Schlag angedeutet, bevor sich die beiden Angeklagten entfernten.
Der Kommentar von Felix Hägele, dem Verteidiger des 23-Jährigen, war kurz und bündig: „Es ist ein Schwachsinn, was ihm vorgeworfen wird.“ Sein Mandant habe niemanden bedroht und sich auch nicht „kampfbereit“ gemacht. Dabei gewesen sei er aber schon. Denn der 20-Jährige habe ihn als Zeugen dazu gerufen.
Dem Angeklagten zufolge wollte das spätere Opfer schlägern
Der Hauptangeklagte schilderte vor Gericht wortreich, dass er an dem Abend auf dem Heimweg gewesen sei, als der junge Mann in Begleitung eines anderen auf ihn zugekommen sei und ihn beleidigt habe. Mehrmals habe er gesagt: „Ich will keinen Streit mit dir.“ Der junge Mann habe aber unbedingt schlägern wollen. Um ihn sich vom Leib zu halten, habe er ihm einmal gegen die Füße getreten und mit der Faust ins Gesicht geschlagen, berichtete er. Warum das Gesicht des jungen Mannes völlig zertrümmert war, konnte der 20-Jährige nicht nachvollziehen. Er vermutete, dass ihn noch jemand anders geschlagen hatte.
Die Zeugenaussage eines 18-jährigen Schülers unterstützte die Version des Angeklagten. Er berichtete, dass der junge Mann an dem Abend „sehr aufgebracht und hysterisch“ nach dem 20-Jährigen gesucht hatte, weil er ihn schlagen wollte. Warum er so sauer auf ihn war, wusste der Schüler nicht. Er habe erfolglos versucht, den jungen Mann, der einen angetrunkenen Eindruck gemacht habe, zu beruhigen, sagte er aus. Der Schüler beschrieb ihn als eine „unangenehme Person“ und „komischer Typ“.
Kurz darauf müssen der Angeklagte und der junge Mann aufeinandergetroffen sein. Die Kripo Augsburg hatte die beiden Angeklagten über die sozialen Netzwerke ermittelt. Dort war der 20-Jährige kein Unbekannter. Er sei früher als jugendlicher Intensivtäter, also als jemand, der schon mehrere Straftaten begangen hat, bei ihnen geführt worden, berichtete eine Kriminalbeamtin. Inzwischen scheint er zu versuchen, Ärger aus dem Weg zu gehen. Sein Verteidiger sagte: „Mein Mandant hat sich intensiv bemüht, Ärger zu vermeiden.“
Jugendgerichtshilfe bezeichnet den Angeklagten als kooperativ
Als „sehr kooperativ und aufgeschlossen“ beschrieb Nicole Jehl von der Jugendgerichtshilfe den 20-Jährigen. Sie hatte schon mehrmals mit ihm zu tun und den Eindruck, dass er, nachdem er den Kontakt zu seinem früheren Freundeskreis abgebrochen hatte, jetzt auf einem guten Weg ist. Jehl sagte: „Er hat alle Voraussetzungen für eine positive Entwicklung.“ Auch wenn er manchmal seine Chancen selbst vergebe. Zum Beispiel hatte er eine Therapie, die Auflage des Gerichts gewesen war, vorzeitig beendet.
Andererseits besuchte er regelmäßig einen Antiaggressionskurs bei der Brücke. Dort bescheinigte man ihm: „Er sucht ernsthaft nach gewaltfreien Konfliktlösungen.“ Auch sein Bewährungshelfer lobte den 20-Jährigen: „Er hat freiwillig zur Bewährungshilfe Kontakt gehalten und nimmt Termine engagiert wahr.“
Die Verhandlung wird demnächst fortgesetzt. Dann will das Jugendschöffengericht unter anderem den jungen Mann, mit dem der Angeklagte aneinandergeraten war, anhören. Der war zwar geladen gewesen, aber nicht erschienen.
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