Die große Lust am Büchermachen
Bernd Wißner hat vor fast 30 Jahren seinen Verlag gegründet, der so viele Bücher über Augsburg veröffentlicht wie kein anderer. Jetzt übergibt er die Leitung an Michael Moratti. Der setzt unter anderem auf Comics
Die Fugger haben sich am besten verkauft. Über 70000-mal ging Franz Herres Buch „Die Fugger in ihrer Zeit“ über den Ladentisch. Es ist neben „Augsburg entdecken“ einer der Renner beim Wißner-Verlag. 1987 gegründet, hat dieser so viele Titel über Augsburg und Schwaben im Programm wie kein anderer – rund 200. Sie haben das Unternehmen in der Region bekannt gemacht, doch mit 1100 Werken insgesamt ist es bedeutend breiter aufgestellt. Nun hat Verlagschef Bernd Wißner die Verantwortung über die 17 Mitarbeiter am Firmensitz in Haunstetten in neue Hände übergeben. Der Verlagsgründer wird bald 65, da will er sein Unternehmen für die Zukunft aufstellen: „Es muss ein Jüngerer ran.“ Die Wahl fiel auf den 45-jährigen Michael Moratti.
Ein Band über den Naturpark Westliche Wälder und einer über Jugendstilbauten in Augsburg sind rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erschienen. Beide laufen gut – und beide stehen für das, wofür man Wißner schätzt: sorgfältig gemachte Bücher über Augsburg und Schwaben, oft von lokalen Autoren, zu Themenbereichen wie Natur, Sakralbauten, Geschichte, Fugger, Mozart – und natürlich Stadt- und Reiseführer.
Den Großteil des Umsatzes von 1 bis 1,5 Millionen Euro jährlich erwirtschaftet das Unternehmen allerdings mit Magazinen für Banken oder Einkaufszentren, Kalendern und Ähnlichem. Außerdem kümmert sich Wißners Frau Gabriele um die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten, es exisitiert eine breite musikwissenschaftliche Sparte und zahlreiche Veröffentlichungen über Geodäsie (Vermessungskunde).
Begonnen hat diese Geschichte 1987. Wißner, der im ersten Jahrgang der Augsburger Uni Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert hatte, arbeitete damals als Computerberater für Geisteswissenschaftler an der Uni, übernahm dann Aufträge für Verlage. Als er aus einer Konkursmasse Wolfgang Zorns „Augsburg – Geschichte einer europäischen Stadt“ erwarb, war das der Startschuss für den „Schwabenverlag“. „Bunte Bücher“ nennt Wißner diesen Bereich. Anfangs betreute er ihn nur, seit einigen Jahren ist der Sachverständige für Computerfragen auch selber als Autor tätig. Dieser Sparte will er erhalten bleiben und zum Beispiel Schüler-Projekte betreuen. Auch seine Ehrenämter bei Lions-Club und Bürgerstiftung wird er weiterführen. Ein Verlag, sagt er, sei aber abhängig von Trends; waren früher zum Beispiel historische Werke am beliebtesten, sind es mittlerweile Rad-, Wander- und Stadtführer. Und solche Entwicklungen erkenne ein Jüngerer besser. Und so begann Michael Moratti, 45, im Sommer als Verlagsleiter; Wißner steht ihm beratend zur Seite. Auch ein Verkauf stand eine Weile zur Debatte, doch Wißner entschloss sich dagegen. Zu groß war die Sorge, dass der neue Inhaber das Unternehmen zerschlagen, sich die Rosinen herauspicken und Mitarbeiter entlassen würde.
Moratti, der in Pfersee wohnt, liebt Augsburg und das Verlagswesen dagegen genauso wie Wißner. Er ist gelernter Reprofotograf und Lithograf, hat Weiterbildungen zum Druckgrafiker und zum Technischen Betriebswirt absolviert – und einige Ideen in der Tasche. Als Comic-Fan schweben ihm zusätzlich zum bewährten Programm Graphic Novels und Bilderbücher über Augsburg vor. So arbeitet er gerade selber an einem Römer-Comic und eine Grafikerin wird zum nächsten Weihnachtsfest ein Bilderbuch über das Engelesspiel machen.
Während die Branche über den Niedergang der Lesekultur klagt, machen sich weder Wißner noch Moratti Sorgen. Der Umsatz im Buchgewerbe sei immer noch steigend. Allerdings dürfe man sich Neuem nicht verschließen. Stolz weist Wißner darauf hin, das sein Verlag vor zehn Jahren als Erster in Deutschland ein E-Book herausgebracht habe, und zwar für „Lilalu im Schepperland“. Inzwischen sind elektronische Bücher Standards, auch über Apps, etwa für Stadtführer, denkt man nach, sie scheitern im Moment nur noch an den Kosten. Herzstück des Verlags werden aber Bücher bleiben, „die wichtig für Augsburg sind“ – und die ebenfalls sehr erfolgreich sein können. So erschien diesen Sommer „Wir sind stolz, Zigeuner zu sein: Vom Leben und Leiden einer Sinti-Familie“ der ehemaligen AZ-Redakteurin Angela Bachmair.
Ein schwieriges Thema, aber der Mut wurde belohnt: Das Buch geht in die zweite Auflage.
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