Wächter über Augsburg
Was für eine Biografie! Sowohl mit der Milde als auch mit der Schärfe des Alters blickt Bruno Bushart, ehemaliger Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg (1964 bis 1982) an diesem Freitag auf 90 Lebensjahre zurück. Blickt zurück auf seine Gefangennahme 1943 in Sizilien während des Zweiten Weltkriegs und auf seine anschließende Inhaftierung in Tunesien, wo er mit Kreide auf Zeltwand den Grundriss des Kölner Doms skizzierte, um den Mithäftlingen deutsche Kunstgeschichte zu vermitteln.
Blickt zurück auf seine anschließende Verfrachtung in die USA, wo er abermals in der "Lager-Universität" Kunsthistorie - und das auf Sizilien angeeignete Italienisch - lehrte, aber auch einen Sperrholz-Kontrabass erstand, der ihm dann 1947, beim Rücktransport nach Deutschland, ob der Maße Transport-Schwierigkeiten bescherte. Erst im Hafen von New York, später in Frankreich wollte ihm das Kriegsgewinner-Militär die Mitnahme verweigern; doch beide Male setzte sich Bruno Bushart unter Appellen an das Kultur-Bewusstsein und unter Sympathiebekundungen der Umstehenden durch - was seine herzensgebildete, stets gastfreundliche Ehefrau "Mirl" noch heute mit den Worten kommentiert: "Hartnäckig war er schon immer!"
Dass dieser Kontrabass auch als Versteck für Zigaretten als deutsches "Startkapital" diente, die weder in den USA, noch in Frankreich entdeckt wurden, aber dann im Zug von Heilbronn ins heimatliche Ellwangen; dass sich Bushart mit Tanzmusik und Jazz auf eben diesem Kontrabass durch AFN-Radio-Übertragungen sein Münchner Kunstgeschichtsstudium verdiente, das sei hier nur am Rande vermerkt.
Ausstellungen von nationalem Rang
Was nach dem Studium und erster Berufserfahrung an der Staatsgalerie Stuttgart folgte, ist maßstabsetzend in Augsburg bis heute: Neuordnung der Museenlandschaft mit Einrichtung der Barockgalerie, Ausstellungen von nationalem Rang ("Hans Holbein d. Ä.", "Welt im Umbruch", "Jan Liss", "Augsburger Barock"). Obwohl oder weil Bushart Anfang der 70er Jahre der Stadt einen 100 000-Mark-Ankaufsetats für die Kunstsammlungen abtrotzte, nannte Alt-OB Breuer ihn ein "kulturgeschichtliches Ereignis".
Dessen Ruhm mehrte sich nicht zuletzt durch viele beispielhafte Publikationen, worunter Busharts umfassende Mitarbeit am Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler ("Dehio") die wohl breitenwirksamste ist. 1978 wurde der Barock- und Renaissance-Spezialist Münchner Honorarprofessor, 1983 erhielt er die Augsburger Ehrendoktor-Würde, 1994 erschien seine weit beachtete, umfangreiche Monografie über die Augsburger Fuggerkapelle bei St. Anna.
Eine weitere Großtat Busharts war eine Verhinderung: In heiligem Zorn enttarnte er 1968 reihenweise Augsburger Lokalpolitiker, die das von Elias Holl vollendete Zeughaus an einen Kaufhaus-Konzern verscherbeln wollten. Bushart damals: "Meine Generation war aus dem Krieg heimgekommen, um festzustellen, dass die Zerstörung unserer Kulturdenkmäler auch ohne Bomben weiterging."
Diese Zivilcourage 1968 sowie Busharts beharrliche Appelle über die Jahre hinweg bis heute, dass Augsburg vor allem aus jener Zeit Geltung, Ansehen und "Kapital" zu beziehen habe, als die Stadt zwischen dem 15. und frühen 18. Jahrhundert tatsächlich Weltkunst hervorbrachte - eben diese beiden Überzeugungen lassen in Verbindung mit Gratulationen auf das Herzlichste nur einen Schlusssatz zu: Es müsste mehr Menschen geben von jener Langsicht und von jenem Wertebewusstsein, wie sie Bruno Bushart besitzt.
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